Die grausame Logik des Systems

Subbotnik zeigen am Schauspiel Köln, dass man auch heute nicht an Karl Marx vorbeikommt

Marx liegt lässig in der Badewanne und isst Kuchen. Er plaudert mit dem Arbeiter, der die Füße im Wasser baumeln lässt. Noch vor fünfzehn Minuten war die Wanne kein Ort der Entspannung. Arbeiter und Kapitalist drohten darin angesichts der Naturgewalt des Kapitalismus zu ertrinken. Naturgewalt? Das in die Bühne eingelassene Bassin ist ein hübsches Beispiel dafür, wie sich die Fragen des Stücks in den Kulissen widerspiegeln. Mit »Wir sind Affen eines kalten Gottes« wagt sich das deutsch-russisch-ukrainische Trio Subbotnik pünktlich zum 200. Geburtstag von Karl Marx an den ersten Band des Kapitals heran. Der einschüchternden Monumentalität dieses Werks wird mit einem Augenzwinkern begegnet, das jeder, der es gelesen hat und der wie die Schauspieler auf der Bühne dabei am Rande des Wahnsinns stand, dankend annimmt.

 

Was zu Beginn eine Lehrstunde der großen Begriffe ist — die Ware, das Geld, die Manufaktur, die Arbeits-teilung —, entwickelt sich zu einer Folge fragmentarischer Schwän-ke, deren Tiefgang vor allem visuell und musikalisch unterlegt wird. Arbeiter und Kapitalist werden gleichermaßen als Opfer einer sich längst verselbständigten Kapitalismusmaschinerie dargestellt, der man nur noch hinterherlaufen kann.

 

Eine wunderbare Szene zeigt es: zwei völlig gehetzte Menschen an einem E-Piano, dessen Beat den Takt angibt. Es offenbart sich die grausame Logik des Systems, in dem der Wert der Arbeitkraft immer geringer sein muss als ihr Produkt, um aus Geld tatsächlich Kapital machen zu können. Das Einsparen von Arbeitskräften bleibt in dieser Rechnung die einzige Möglichkeit, um auf dem Markt nicht bei Null, sondern im Plus herauszukommen. 

 

Dieses Problem stellt sich in seiner ad absurdum getriebenen Realität ironischerweise auch noch 200 Jahre nach der Industrialisierung. Gerade deshalb ist es schade, dass der Bezug auf unsere Zeit nur angedeutet wird. Blockchain und Bitcoin fallen als Begriffe, dabei bleibt es aber auch. Am Ende verliert sich das Stück durch medial überladene und in die Länge gezogener Installationen ins Diffuse. Was als Kunstgriff gut gemacht ist, erscheint nach starken Dialogszenen als überflüssig. Dennoch gelingt dem Stück, eine zugleich inhaltlich angemessene und humorvolle Auseinandersetzung mit einem Text, an dem man einfach nicht vorbeikommt.

 

»Wir sind Affen eines kalten Gottes«, A + R: Subbotnik, 29.5., 2., 7., 15., 26., 29.6., Außenspielstätte am Offenbachplatz, 20 Uhr