Marina Abramović

Im Herbst 2016 feierte Marina -Abra-mović, die Pionierin und selbsternannte Großmutter der -Performance, ihren 70. Geburtstag, veröffentlichte ihre Memoiren und tourt seither mit einer großen Retrospektive durch Europa. Als einzige deutsche Station ist diese Show nun in der Bundeskunsthalle zu sehen.

 

Ohne Zweifel rechtfertigt -Abra-movićs Bedeutung für die Kunstent-wicklung seit den 70er Jahren dieses Unternehmen — und die Herausforderung, für ihre flüchtige Kunst eine nachvollziehbare Form zu finden. Groß projektiert sehen wir etwa die frühe Arbeit »Light/Dark«: Knieend saßen sich Abramović und ihr -langjähriger Partner Ulay gegenüber und begannen, sich zunächst langsam und bedächtig, dann zunehmend schneller und kraft-voller zu ohrfeigen. So geschehen auf dem Kölner Kunstmarkt 1977. 

 

Der Entrée-Bereich ist jedoch Abramovićs wohl berühmtester Performance gewidmet. Während der gesamten Öffnungszeit des MOMA in New York saß die Künstlerin 2010 über 720 Stunden schwei--gend an einem Tisch. Einzeln konnten ZuschauerInnen ihr gegenüber Platz nehmen und ihren Blick er-widern. Ein Kinofilm dieser Aktion ging um die Welt. Die Tischinstallation und Fotos vermitteln einen eher behelfsmäßigen Eindruck dieser Aufführung, die mit gehörigem Pathos Ich-Wichtigkeit zelebriert.

 

Im Ausloten physischer und mentaler Grenzen überzeugen die frühen Werke mehr. In einer Schlüsselarbeit, »Imponderabilia«, standen sich Abramović und Ulay 1977 nackt im schmalen Eingang eines Museums Angesicht zu An-gesicht gegenüber. Jede Besucherin und jeder Besucher mussten sich zwischen ihnen seitwärts hindurch-zwängen. Diese und andere jetzt wiederaufgeführten Performances funktionieren überraschend gut, weil sie eben nicht von der gefeierten Diva selbst in Szene gesetzt werden, sondern von beeindruckend individuellen Darstellerinnen und Darstellern.

 

Unser Tipp: Sich nicht vom Personenkult um die Künstlerin, der von der Institution, den Me-dien, aber auch in hohem Maße von der Künstlerin selbst betrieben wird, beirren lassen und die Arbeiten der 70er bis 90er Jahre als das genießen, was sie sind: präzise und konzentrierte Aufführungen von menschlichen Grundkonstanten des Gegen- und Miteinanders.

 

 

Bundeskunsthalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4 (Museumsmeile), 53113 Bonn, Di/Mi 10–21, Do–So 10–19 Uhr, bis 12.8.