Zählt gerne SUVs: Martin Herrndorf, Foto: Marcel Wurm

»Hier regiert nicht allein das Gutmenschentun«

Veranstalter Martin Herrndorf über den Tag des guten Lebens am Eigelstein und im Agnesviertel

Herr Herrndorf, 2015 haben Sie im Interview mit der Stadtrevue den Wunsch geäußert, den Ebertplatz einmal autofrei zu erleben. Am 1. Juli ist es soweit. Aufgeregt?

 


Auf jeden Fall! Unsere Überlegungen, den Tag des guten Lebens in diesem Jahr im Agnes- und Eigelsteinviertel stattfinden zu lassen, liegen schon mehr als zwei Jahre zurück. Die Idee finde ich immer noch gut: Wir wollen zwei vielfältige, bunte und engagierte Veedel zusammenbringen, die historisch zusammengehören, aber durch bauliche Maßnahmen wie den Ebertplatz voneinander getrennt wurden.

 

 

Warum aber ein solches Festival ausgerechnet in einem Veedel, in dem ohnehin links-alternative Besserverdienende dominieren?

 


Wir hatten eher die gegensätzliche Diskussion: Zum ersten Mal sind wir mit dem Tag des guten Lebens in einem Gebiet, in dem es eine offene Drogen- und Prostitutionsszene gibt, in dem öffentliche Auseinandersetzungen sehr viel härter geführt werden als etwa in Ehrenfeld oder Sülz. Die beiden Veedel sind sehr vielfältig. Es wäre falsch, anzunehmen, hier regiere allein das Gutmenschentum.

 

 

Also droht keine Selbstgefälligkeit, weil im Agnesviertel alle sich selber feiern?

 


Wir wollen durchaus, dass die Viertel beim Tag des guten Lebens zeigen, was an Engagement in ihnen steckt, und das auch feiern. Aber auch im Agnesviertel leben nicht alle auf gebohnerten Altbaudielen und fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das Klischee trifft nicht zu. Allein während wir hier sprechen, sind schon drei SUVs vorbeigefahren. Ökologisch nachhaltig ist das Veedel noch lange nicht — und angesichts steigender Mieten stellen sich auch verstärkt soziale Fragen. Die Frage ist, wie man diese Themen in den öffentlichen Raum bringt. Was stimmt: Wir haben in diesem Jahr viel Zuspruch von der Anwohnerschaft bekommen. Eine Grundbereitschaft zur Veränderung ist auf jeden Fall da.

 

 

Und wie treten Sie an all jene heran, die nicht zu Ihren Info-Veranstaltungen kommen, weil sie unter dem guten Leben möglicherweise verstehen, dass ihr SUV vor der Haustür parkt?

 


Skeptiker gibt es immer. Im Vorfeld des Tages hilft daher nur: hingehen, ansprechen und erklären, worum es uns geht. Meist funktioniert das, und wir respektieren natürlich, wenn jemand unter gutem Leben etwas ganz anderes versteht. Was funktioniert, ist, wenn Anwohnerinnen und Anwohner den Tag selbst erleben und gestalten: Wenn vor der eigenen Haustür tolle Aktionen stattfinden, überwinden viele ihre Zweifel und mischen sich unter die Leute.

 

 

Wie liefen die Vorbereitungen auf dem Eigelstein?

 


Für uns war die Arbeit sehr spannend, weil es dort ein Milieu gibt, das wir selbst wenig kennen oder im Team abbilden. Im Moment gibt es dort einen immensen Druck durch Wohnsanierungen und Airbnb-Anbieter, die ganze Wohnblöcke in Ferienwohnungen umwandeln. Viele Aktionen werden sich daher um Fragen von Wohnraum und Nachbarschaftlichkeit drehen. So gibt es einen langen Tisch auf der Weidengasse und eine »lange Tafel« von der Straße Unter Krahnenbäumen bis zur Bahnunterführung an der Marzellenstraße. Alle sind aufgerufen, Tische und Stühle mitzubringen und gemeinsam zu essen.

 

 

Werden Sie den Tag künftig auch mal in einem Veedel außerhalb des Zentrums veranstalten?

 


In diesem Jahr läuft die Finanzierung der Stiftung Umwelt und Entwicklung aus, die immer nur als Anschub gedacht ist. Gerade befinden wir uns in Gesprächen mit der Stadt, ob da ein stärkeres Engagement möglich ist. Und falls es weitere Tage gibt: Stadtteile wie Kalk oder Mülheim sind bei uns schon lange im Gespräch. Aber wir müssen immer zuerst mit den Menschen vor Ort sprechen. Den Tag ohne eine breite Unterstützung aus der Anwohnerschaft zu veranstalten, ergibt für uns keinen Sinn.

 

 

Tag des guten Lebens, Agnes- und Eigelsteinviertel, So 1.7., 11–20 Uhr. Aktuelles Programm auf


tagdesgutenlebens.de