Pilot in Turbulenzen

Köln hat Leitlinien für Bürgerbeteiligung entwickelt — bald wird ausprobiert, was sie taugen

 

Seit fast drei Jahren tagt ein Gremium, das die Politik in Köln umkrempeln könnte. Es geht dort um die Zukunft der Bürgerbeteiligung. In Köln ist sie nicht geregelt. Mal gibt es aufwändige Workshops, häufiger aber bloß Alibi-Veranstaltungen wie beim Ausbau der Ost-West-Achse oder der Neugestaltung des Porzer Zentrums.

 

Im November einigten sich 40 Vertreter von Initiativen, Politik und Verwaltung auf ein fast 50-seitiges Papier mit Leitlinien: Bürgerbeteiligung soll fester Bestandteil jeder politischen Beratung werden; wird sie nicht durchgeführt, muss das begründet werden. Alle Beteiligungsverfahren sollen im Internet fortlaufend dokumentiert und alle Informationen zugänglich gemacht werden. Ein Büro für Öffentlichkeitsbeteiligung soll alles koordinieren. Als das Papier formuliert war, geschah erst mal nichts — bis OB Henriette Reker für einen Eklat sorgte. Im April teilte sie in einem internen Schreiben mit, den Vorschlag des Gremiums vorerst nicht im Rat abstimmen zulassen, wegen »der Sorge, dass die Nachteile in Form von verlängerten Verfahren und hohem Aufwand, die Vorteile durch bessere Lösungen und mehr Akzeptanz übersteigen.« Daher solle es zunächst eine »Pilotphase« geben, um die Leitlinien in der Bezirksvertretung Nippes und im städtischen Umweltamt zu erproben. Das Gremium war empört. Bürgerbeteiligung bloß für Grünflächen im Veedel? Nach zwei Krisensitzungen im Mai und Juni einigte man sich nun zwar darauf, die Leitlinien zunächst in der Praxis zu testen, jedoch umfangreicher als von Reker vorgesehen: Die städtischen Dezernate für Kultur, Sport, Stadtentwicklung und Verkehr sollen größere Projekte nun probehalber auch nach den neuen Leitlinien umsetzen.

 

Die Konflikte seien dadurch geschlichtet, sagt Daniela Hoffmann, im OB-Büro zuständig für den Leitlinienprozess, zumal »ohnehin immer wieder mal andiskutiert wurde, dass die Leitlinien in der Praxis erprobt werden müssen.« Hoffmann betont, wie wichtig die Entscheidung für ein Beteiligungsformat sei. Nicht jede Methode eigne sich für jedes Thema oder jede Bevölkerungsgruppe. Um auch Jugendliche, Migranten oder alte Menschen anzusprechen, soll daher ein externer Dienstleister beauftragt werden. Thomas Hegenbarth von der Ratsgruppe Bunt, vormals Piraten, sieht die Pilotphase kritisch. »Wir hätten die Beteiligung sofort in allen Bereichen einführen können«, sagt er. »Köln fehlt der Mut, etwas auszuprobieren.« Man habe jetzt einen akzeptablen Kompromiss mit der Verwaltung erarbeitet, meint dagegen Jörg Detjen von der Linken, der wie Hegenbarth als einer der politischen Vertreter im Gremium sitzt. »Uns ist wichtig, dass künftig auch Menschen mit geringem Einkommen ein Zugang zur Bürgerbeteiligung ermöglicht wird«, sagt Detjen. »Das ist komplex und kann auch Geld kosten, wenn etwa eine repräsentative Beteiligung durchführt wird.« Dass gute Beteiligung Geld kostet, ist allen klar. Die Frage ist aber, wie viel. Die Stadt hat zumindest drei neue Stellen eingerichtet. »Gut mit der Verwaltungsarbeit verzahnte und verlässliche Öffentlichkeitsbeteiligung kostet ein gewisses Maß an finanziellen und personellen Ressourcen«, sagt Werner Keil, für die Initiative »Köln mitgestalten« im Gremium. »Ohne diese Beteiligung kostet es erfahrungsgemäß aber viel mehr: suboptimale Planungsergebnisse, niedrigere Akzeptanz, fehlende Glaubwürdigkeit, Protest bis hin zum Klageweg und so weiter.«  

 

Bevor OB Reker eine Beschlussvorlage für die Ratssitzung Ende September erarbeitet, trifft sich das Gremium noch einmal am 10. Juli. »Es geht nur noch um ein paar Details«, so Daniela Hoffmann vom OB-Büro. Allerdings ist die größte Hürde noch zu nehmen. Längst sind nicht alle in Verwaltung und Politik der Ansicht, dass Bürgerbeteiligung zu besseren Ergebnissen führe. Sie davon zu überzeugen, wird schwieriger werden, als dass der Rat den Leitlinien zustimmt.