Leerstand statt Konsumraum: Möglicher Standort in der Thieboldsgasse, Foto: Marcel Wurm

Alles auf null

Das Aus für den Drogenkonsumraum am Neumarkt wirft das Hilfskonzept um Jahre zurück

Eigentlich sollte im August ein Drogenkonsumraum am Neumarkt eröffnen. Menschen, die sich öffentlich Heroin spritzen, sollten Vergangenheit sein. Doch daraus wird nichts. Anfang Juni wurde bekannt, dass der Vermieter des Hauses an der Thieboldsgasse, in dem der Drogenkonsumraum eingerichtet werden sollte, den Vertrag mit der Stadt gekündigt hat. Die Verwaltung habe kein überzeugendes Sicherheitskonzept vorgelegt, so die Begründung. 

 

»Das ist eine fatale Entwicklung«, sagt Marco Jesse, Geschäftsführer des Drogenhilfevereins Vision. »Damit gerät das gesamte Hilfskonzept der Stadt ins Stocken.« Denn der Konsumraum war Grundlage für ein komplexes Hilfesystem mit niedrigschwelligen Angeboten für die Bewältigung des Alltags, Hilfen zum Suchtausstieg sowie Wohnungs- und Jobvermittlungen. Der Rat der Stadt hatte das Konzept vergangenen Herbst nach jahrelangen Diskussionen beschlossen und 3 Mio. Euro bewilligt, um das Elend der Drogenabhängigen zu lindern.

 

Am Standort Neumarkt steht nun alles wieder auf null. Aber warum konnten die Verhandlungen der Stadt mit dem Vermieter noch scheitern? »Durch das Gesundheitsamt wurde dem Vermieter ein umfängliches Sicherheitskonzept vorgelegt, das die gesetzlichen Rahmenbedingungen beinhaltet«, sagt Sozialdezernent Harald Rau. Das Konzept sieht eine Ordnungspartnerschaft von Gesundheitsamt, Ordnungsamt, Polizei und Strafverfolgungsbehörden vor. Die Präsenz eines zusätzlichen Sicherheitsdienstes, wie es der Vermieter forderte, sei aber »mit dem Ziel eines niederschwelligen Angebots nicht zu vereinbaren«, so Rau. Die Drogenabhängigen, befürchtete die Stadt, würden vom Anblick der Sicherheitsleute abgeschreckt.

 

Man habe die Bedenken des Vermieters »ernst genommen« und sogar ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt. »Darin spiegelt sich unsere Überzeugung, dass ein sicherer und reibungsloser Betrieb auf Basis des vorgesehenen Sicherheitskonzepts möglich ist«, sagt Rau. »Leider war der Vermieter zu weiteren Verhandlungen in diesem Punkt nicht bereit.«

 

»Das ist die logische Entscheidung eines Profi-Vermieters«, sagt Walter Schuch, Sprecher der Bürgerinitiative Neumarkt. Er verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2000, nach dem Vermieter für Schäden haften, die durch eine Drogenhilfeeinrichtung entstehen. »Ich bin mir nicht sicher, ob sich die handelnden Akteure überhaupt der Risiken bewusst sind«, sagt Schuch.  In der Kölner Politik war vermutet worden, seine Bürgerinitiative habe Druck auf den Vermieter ausgeübt, damit er den Vertrag mit der Stadt kündige. Schuch weist das zurück. Bis die Vertragskündigung bekannt wurde, habe es »zu keiner Zeit persönlichen, schriftlichen oder tele-fonischen Austausch« mit dem Vermieter gegeben, sagt Schuch. Doch muss der Kontakt so eng gewesen sein, dass die Initiative das Scheitern des Konsumraums als erste vermelden konnte. Ein Kommunikationsdesaster für die Verwaltung.

 

Die Kölner Drogenhilfevereine, die als Träger des Konsumraums infrage kamen, sehen nun ihre Befürchtungen bestätigt. Erstmals wollte die Stadt den Betrieb des Konsumraums nicht direkt an einen Träger vergeben, sondern ausschreiben. »Wir sozialen Träger wären als Verhandler vielleicht in einer besseren Position gewesen«, sagt -Thomas Hambüchen, Leiter der Kölner Drogenhilfe. »Wir sind darin erfahren und wissen, wie empfindlich Nachbarn auf das Thema Drogen und Sucht reagieren.« Auch einem privaten Sicherheitsdienst stehen die Träger nicht ablehnend gegenüber. »Jede Kommune gestaltet ihr Sicherheitskonzept anders«, so Hambüchen. »Köln hat das in der Vergangenheit eher rheinisch-entspannt gehandhabt.«  Am Drogenkonsumraum in Dortmund, dem größten in NRW, ist immer ein Sicherheitsdienst anwesend. Das habe sich bewährt, sagt eine Mitarbeiterin am Telefon. Marco Jesse von Vision glaubt, dass ein privater Sicherheitsdienst die Arbeit der Drogenhilfe erschwert hätte. »Aber es hat mich schon gewundert, dass die Stadt dem Vermieter in dieser Frage offenbar nicht entgegenkommen wollte — wenn denn die Begründung nicht nur vorgeschoben war.« 

 

Das vermutet auch Ralf Unna von den Grünen. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses sagt: »Haftungen lassen sich privatrechtlich ausschließen.« Unna macht Druck auf die Verwaltung: »Ich erkenne den Gestaltungswillen der Stadt, aber wir brauchen jetzt schnell sichtbare Ergebnisse. Denn die Situation ist schlecht und sie wird immer schlechter.«

 

Sozialdezernent Rau hat nun eine Steuerungsgruppe eingesetzt, die nach neuen Immobilien am Neumarkt und nach Zwischenlösungen sucht: mobile Angebote, etwa in umgebauten Bussen. Womöglich werden auch die städtischen Räume neben dem Gesundheitsamt am Neumarkt erneut geprüft, obwohl die Polizei sie wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt hatte. Ginge es nach Hambüchen und Jesse, sollte Sozialdezernent Rau nun zumindest die ohnehin geplanten Konsumräume im Rechtsrheinischen -vorziehen, etwa in Mülheim.

 


»Wir haben Herrn Rau bereits im Dezember 2017 Räume nahe dem Wiener Platz angeboten, um einen Konsumraum in Mülheim einzurichten«, so Hambüchen. Auch auf dem Gelände von Vision in Kalk könne man einen Raum anbauen. Doch dann stünden die Träger von vornherein fest, und diesmal soll ja alles ordentlich ausgeschrieben werden. Erst mal verbessert sich also nichts, weder für die Drogenkonsumenten noch für die Anwohner.