Im Zentrum des Klangs

Sly & Robbie treffen auf Nils Petter Molvær

Nils Petter Molvær wird wissen, worauf er sich eingelassen hat. Der norwegische Trompetenstar hat konsequenter als andere Jazzer seiner Generation (Molvær geht auf die 60 zu) den gediegenen ECM-Sound in Richtung Pop getrieben: Downbeats und heavy Dub-Effekte gewittern seit zwanzig Jahren in seiner Musik, als wäre für ihn die Pop-Geschichte nie über Ninja-Tune- und Warp-Alben der 90er hinausgelangt. 

 

Aber irgendwann hat jeder sein Rendezvous mit dem Schicksal, und das Schicksal heißt Sly & Robbie. Molvær hat jüngst ein Album mit Schlagzeuger Sly Dunbar und Bassist Robbie Shakespeare eingespielt, der, wie heute jeder weiß, wichtigsten Rhythmusgruppe des Reggae. Sie begründeten ihren Ruhm vor vierzig Jahren an der Seite von Peter Tosh, festigten ihn mit Black Uhuru und in unzähligen Studio-Sessions und genießen derzeit ihren x-ten Frühling: Ihre jüngsten Dub-Alben »Blackwood Dub«, »Underwater Dub« und »Dubraising« sind Meilensteine dieses eigentlich doch ausbuchstabierten Genres. Wer die beiden Jamaikaner anheuert, weiß, dass er unweigerlich in die zweite Reihe rutscht. Wenn sie auftreten, spielt die Rhythmusgruppe im Vordergrund.

 

Man würde auch in die dritte Reihe rutschen wollen. Denn an ihrer schier endlosen Erfahrung teilzuhaben, bedeutet auch, etwas von der Magie des Flows zu begreifen. Sie sind ja keine aufdringlichen Virtuosen, Sly spielt ein supertrockenes Schlagzeug — keine Mätzchen, aber perfekt getimte Breaks, die wir uns wie Wellenbrecher vorstellen müsse: für Robbies sanft daherfließende, nahezu ansatzlos gespielte Bass-Linien. Sie brauchen die gewisse Härte von Sly knallender Snare. Daraus ergibt sich ein minimales Wechselspiel, das ganz klar ist, ohne Überraschungen auskommt und gerade deswegen eine hypnotische Wirkung erzielt. Denn als Hörer will man jeden Überschuss, jede noch so kleine harmonische Wendung aufsaugen.

 

Molvær überlässt ohne jeden Widerstand den beiden den Vortritt. »Nordub« (Okeh/Sony) haben sie ihr gemeinsames Album genannt, ein bisserl bemüht winkt der Norweger Molvær mit dem Zaunpfahl (= Albumtitel), dass von seiner Klangwelt eine direkte Linie zu der von Sly & Robbie ausgeht. Kunststück! Denn die beiden sitzen ohnehin im Zentrum des Klangs und modulieren mit lässigem Einsatz und riesigem Effekt unser Gespür für Zeit, Veränderung und Glück.