Minarette und Raketen

Die Ehrenfelder Moschee-­­Debatte erreicht einen vorläufigen Höhe­punkt

Eine Situation wie eine Versuchsanordnung, um das gesellschaftliche Klima in Köln zu testen. Bis auf den letzten Stehplatz gefüllt war die Aula des Gymnasiums Kreuzgasse: Bürgeranhörung zum geplanten Moscheebau in Ehrenfeld. Ein normaler Vorgang im Rahmen des so genannten Bauleitplans – und doch der Höhepunkt einer seit langem anschwellenden Debatte um den Neubau an der Ecke Venloer und Innere Kanalstraße.

Der Bauherr, der Verein Ditib, hatte zuvor gemeinsam mit dem Kölner Architekturbüro Böhm den Moschee-Entwurf noch einmal nachgebessert: mehr Geschossfläche, ein transparen­terer Gebetsraum. Die rechtsextreme »Bürgerbewegung Pro Köln« hatte versucht, möglichst viele Anhänger zu mobilisieren, nachdem ihr Bürgerbegehren gegen die Moschee mangels ausreichend vieler Unterschriften gescheitert war. Und kurz vor der Anhörung Ende Mai hatte sich auch noch der Kölner Publizist Ralph Giordano gegen die Moschee ausgesprochen – wenn auch weitgehend ohne Argumente, außer dem einen: Die Integration der Moslems in Deutschland sei gescheitert.

Beifall, Billigung, Bedenken

Josef »Jupp« Wirges, Sozialdemokrat und Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld, saß nun vorne in der vollen Aula auf dem Podium und arbeitete hart daran, die planmäßig störenden Pro-Köln-Funktionäre soweit in die Schranken zu weisen, dass die übrigen Bürger tatsächlich ihre Fragen stellen konnten. Kurze Zeit drohte die Versammlung zu kippen – dann setzte sich Wirges durch, ließ drei Störer von der Polizei aus dem Saal bringen, und siehe da, eine wirkliche Diskussion begann: mit viel Applaus für den Moschee-Entwurf, mit kritischen Fragen zur Rolle des Islam in Deutschland, zur Gestaltung des Gebäudes und vor allem zur Verkehrssituation.Vier Stunden dauerte die Anhörung, vier Stunden Konzen­tration bei Bürgern im Saal und Vertretern von Ditib und Stadt Köln auf dem Podium.

Am Ende, kurz vor Mitternacht, machte sich dann Erschöpfung breit. Als Erkenntnis bleibt: Einige Punkte rund um den Bau sind tatsächlich noch offen, wie etwa die Parksituation. Jenseits der konkreten Fragen und neben aller Zustimmung waren viele kritische Äußerungen geprägt von einem diffusen Unbehagen gegenüber einem großen, repräsentativen Bau einer »anderen« Religion mitten in Köln. Ein Gefühl, das die Süddeutsche Zeitung »das Erschrecken vor dem sichtbar werdenden Islam« genannt hat. »Diese Minarette sehen ja aus wie Raketen«, befand etwa eine Bürgerin, »die haben gar nichts Rheinisches, Gemütliches!« Und immer wieder war in Umkehrung eines sonst oft verwendeten Arguments zu hören: »Die können doch in den Hinterhöfen bleiben – das reicht doch!«

Ähnliche Stimmungen scheinen auch in Teilen der Kölner CDU zu herrschen, die seit langem versucht, ihre parteiinterne Debatte zum Thema in den Griff zu bekommen. Zurzeit gelingt ihr das nur mit hilflosen Papieren, in denen sie den Moscheebau zwar irgendwie befürwortet, anderseits aber vage fordert, die Pläne müssten »hinsichtlich ihrer Dimensionerung … überarbeitet werden«. Eine Haltung wie die vom Kabarettisten Matthias Deutschmann auf dem Evangelischen Kirchentag vorgeschlagene kölsche Lösung: »Die Moschee wird so gebaut, dass beim Gebet nach Mekka der Dom dazwischen steht.«

Zwischenbilanz

Dennoch und bei allem Unbehagen – »Pro Köln« ist es nicht gelungen, die Auseinandersetzung zu bestimmen. Das zeigt auch der gescheiterte Versuch der »Bürgerbewegung«, Mitte Juni eine große Demonstration zu organisieren: Trotz massiver und über­regionaler Werbung zogen am Ende nur etwa 150 Moscheegegner durch Ehrenfeld.

Das Gespräch zwischen Moslems und Nicht-Moslems ist nicht einfach, aber es kommt in Gang. Das war bei der Bürgeranhörung in der Schul-Aula so, aber auch in der alten Fabrikhalle, die Ditib heute noch als Moschee dient: Dorthin hatte der Verein während des Kirchentages eingeladen, zu einem Freitagsgebet mit Predigt auf türkisch und deutsch. Über 100 Gäste kamen, zogen ihre Schuhe aus, betraten mit Neugier und Skepsis den Gebetsraum und bestürmten den Ditib-Dialogbeauftragten und Prediger Bekir Alboga derart mit Fragen, dass er kaum zu seinen Gottesdienstvorbereitungen kam­.

Der Islam wird sichtbar in Köln. Und der geplante Neubau macht deutlich, was das Wort vom Einwanderungsland konkret bedeutet: Wenn die große, gläserne Moschee einmal steht, kann man sich nicht mehr darum herum mogeln, dass der Islam Teil der Stadtgesellschaft ist. Die Menschen in der Stadt können ihn nicht mehr übersehen, und die islamische Religionsgemeinschaft selbst kann sich nicht mehr verstecken – auch nicht vor kritischen Blicken. Die Integrationsdebatte wird weitergehen. Der Moscheebau ist dafür das Beste, was Köln passieren kann.