Ausflüge ins Rheinland – Teil 1

Der rheinische Jakobsweg

 

 

 

Er ist nicht nur die bekannteste Pilgerroute in Europa, sondern auch ein beliebter Wanderweg. Eine seiner Routen führt von Brühl aus durchs Rheinland

 

Der Weg zu Gott beginnt in einem prachtvollen Garten. Die Schlösser Brühl — Augustusburg und Falkenlust — sind Welterbestätten der Unesco und zählen zu den bedeutendsten Bauwerken des deutschen Barock und Rokoko. Ihre Grünanlagen und Wälder sind ein erhabenes Naherholungsgebiet. Man spaziert durch kunstvolle Ziergärten, vorbei an üppigen Teichen und Wasserfontänen und unter einer Platanenallee hindurch. Man könnte sich ins England des 18. Jahrhunderts versetzt fühlen, holten einen die keuchenden Jogger nicht in die Gegenwart zurück.

 

In Brühl startet auch eine Etappe des südlichen Jakobswegs, der von Köln über Trier (»Via Coloniensis«) und Schengen ins französische Metz führt. Die Pilgerroute nach Santiago de Compostela in Galizien, zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus des Älteren, kennt diverse Pfade durch Zentraleuropa. Einer führt mitten durchs linksrheinische Rheinland. Seit einigen Jahren werden die hiesigen Routen von der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft (DSJG) und dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) verstärkt sichtbar gemacht. Das Netz des Jakobswegs in Deutschland, aber auch in Luxemburg und Österreich, in Frankreich und Spanien erlebt einen Boom. Seit Jahren steigen die Zahler der vermeintlichen Pilger, über 300.000 gingen im vergangenen Jahr mindestens 100 Kilometer Jakobsweg. Längst wird die Strecke nicht mehr ausschließlich von Gläubigen abgelaufen — sondern vor allem von Leuten mit Spaß am Wandern.

 

Im Zentrum von Brühl merkt man von diesem Trend nicht viel. Entlang einer S-Bahn-Trasse, vorbei an Vorgärten und Carports, in der Peripherie immer in Sichtweise der riesige Turm vom »Mystery Castle«. Der »Bungee Drop Tower«, die größte Attraktion im benachbarten Phantasialand, bildet auf den ersten Kilometern der Wanderung die Kulisse, während man Schritt für Schritt die Stadt hinter sich lässt. Den Weg weisen einem weder übernatürliche Zeichen noch Horden von Mitwanderern, sondern Aufkleber mit einer gelben Muschel auf blauem Grund — das Pilgersymbol. Allmählich bekommt die Umgebung dörflichen Charakter. Irgendwann beginnen die meisten Autokennzeichen nicht mehr mit »BM« (für den Rhein-Erft-Kreis), sondern mit »SU« (für den Rhein-Sieg-Kreis). Und schließlich, nachdem man das ehemalige Dominikanerkloster Sankt Albert in Bornheim passiert hat, erreicht man fast unberührte Natur.

 

Durch Felder führt die Route hinein in die Villewälder. Der 40 Quadratkilometer große Mischwald mit seinen mächtigen Eichen ist trotz gangbarer Waldwege menschenleer. Auf einer knappen Stunde durch die Villewälder zeigen einem vereinzelte Schilder den Weg: Bis nach Weilerswist, dem Endpunkt der Tagestour, sind es noch sechs Kilometer. Bis zum Fernziel Santiago de Compostela sind 2483 Kilometer veranschlagt. Der gemeine Pilger beweist seinen Humor in der Abgeschiedenheit.

 

Am Waldausgang steuert man auf den Swister Turm zu, dem renovierten Überbleibsel einer zerstörten Wallfahrtskirche. Die Lichtung eignet sich für einen der bedeutendsten Teile jeder Wanderung: der Rast. Möglichkeiten der Einkehr bietet dieses Teilstück des Jakobswegs kaum, aber die Wiesen, Bänke und Tische rund um den Swister Turm sind die ideale Gelegenheit, um die Vorräte aus dem Rucksack zu plündern.

 

Die Ruhe des Waldes verlässt man für die lange Zielgerade nach Weilerswist. Die Kölner Straße führt einen nicht nur geradewegs in die kleine Gemeinde, sondern auch zum Ziel der Etappe, der Kirche St. Mauritius. Hier wird den Sammlern unter den Wanderern ein Stempel ins Pilgerbuch gedrückt, bevor sie Kurs nehmen in Richtung Eifel. Andere geben sich ohne Trophäe mit einer abwechslungsreichen und 15 Kilometer langen Tageswanderung zufrieden — und nehmen die Bahn zurück nach Köln. Die restlichen 2500 Kilometer Jakobsweg bis nach Galizien heben wir uns für später auf. 

 

Mit der Regionalbahn zum Bahnhof Brühl Mitte, von dort in die Innenstadt zum Rathaus Brühl. Das Rathaus grenzt direkt an den Schlossgarten, eigentlich steht es sogar drin. Offiziell endet die Etappe des Jakobswegs im Schlossgarten, die nächste beginnt dann am Rathaus. Zurück nach Köln mit der Regionalbahn vom Bahnhof Weiler-swist.