Alternative Insel

Der »Craftista!«-Laden im Geiste der »DIY«-Bewegung bietet Musik und mehr

In der Lübecker Straße hat sich im Windschatten des »Saturn«-Gebäudes seit November letzten Jahres ein kleiner, von außen eher unscheinbarer Laden angesiedelt. »Craftista!« ist weder Café noch Geschäft im herkömmlichen Sinne, sondern von allem etwas, vereint unter einem gemeinsamen Leitgedanken, dem »Do It Yourself«. Wenn schon jeder im Kapitalismus leben und überleben muss, dann doch bitte wenigstens so selbstbestimmt wie möglich.

Zwischen Trinkhallen, Kiosken und Ein-Euro-Shops ist hier eine Insel der Alternativkultur entstanden. Außenstehende, die nicht mit der ursprünglich aus den USA stammenden »DIY«-Bewegung vertraut sind, werden erst einmal über die sehr disparaten Dinge verwundert sein, die in diesen kleinen, hell und aufgeräumt wirkenden Räumen aufeinander prallen: Im Vorderraum befindet sich ein Café mit ausschließlich veganen Kuchen und Torten. An einer Wand werden Taschen und Kleidungsstücke angeboten, die den Ideen der »Arts & Crafts«-Bewegung verpflichtet sind: Individuelle, preiswerte Mode gegen die in Niedriglohnländern produzierte Einheitsschwemme von »H&M« und Co.

Gute Stube

Ein Plattenspieler im Raum lässt den Blick neugierig ins Hinterzimmer schweifen, das offen mit dem Café verbunden ist. Dort gibt es einen Platten-, Buch- und Fanzine-Laden. Wer will, kann zum Kaffee Musik hören und in den kleinen, zum Teil per Hand gestalteten, aufwendig mit Faden gebundenen oder mit Siebdrucken versehenen Heften schmökern. »Musikalisch bekommt man bei uns all das, was für Saturn bereits zu entlegen ist«, fasst Nikita sein Plattenprogramm zusammen. Davon alleine kann er nicht leben, in einem weiteren Hinterraum betreibt er mit »Nova Recordings« noch einen Mailorderversand und eine Booking-Agentur für Livebands.

Gegründet wurde »Craftista!« als Kollektiv, Britta und Felix kümmern sich um das Café, Elena ist für die Auswahl der Fanzines verantwortlich. Hier gibt es jede Menge Ego-, Punk- und Queer-Zines aus den USA, wo die Fanzine-Kultur trotz Internet bis heute ihre – auch gestalterisch – schönsten Blüten treibt. In ganz Köln dürfte es wohl kaum einen Laden mit einer solch großen Auswahl an Fanzines geben. »Inzwischen kommen auch Leute vor Ort zu uns und fragen, ob wir ihr Fanzine auslegen können«, erzählt Nikita und freut sich, dass der »DIY«-Gedanke noch immer nach dem Schneeballsystem funktioniert.

Kein Konsumtempel

Der persönliche Bezug zu dem, was man verkauft, ist ihm das Wichtigste: Die Auswahl an Schallplatten reicht von Aids Wolf bis Japanther, von Inca Ore bis Lightning Bolt. Umfasst also Künstler, die den musikalischen Post-Punk-Ansatz auf kreative und experimentelle Weise fortführen, ergänzt um die Punk-Klassiker wie Gang Of Four, Minutemen und Fugazi.
Angeboten wird nicht nur ein Produkt, sondern eine Haltung, nämlich Musik von Künstlern, die ihre Hörer auffordern, selber aktiv zu werden. Dieser alte Punk-Gedanke der Selbst-aneignung verträgt sich eigentlich nicht mit dem schnöden Zwang zum Geldverdienen. Darum hat Nikita noch immer Probleme, sich als Verkäufer zu sehen: »Ich bin einfach zu zurückhaltend, ich kann nicht offensiv auf die Leute zugehen und ihnen etwas aufdrängen.«
Aufdrängen ist allerdings auch nicht gewollt, denn »Craftista!« möchte das Publikum nicht missionieren. »Manche wollen nur einen Kaffee trinken, manche kommen gezielt wegen den Platten«, erzählt Britta, »unser Ziel ist natürlich, dass sich alles durchmischt und die Leute einen Eindruck davon bekommen, was DIY bedeutet. Aber wir erzwingen das nicht.« Nikita ergänzt: »So wichtig die politischen Infoläden der 70er und 80er Jahre waren, den Unterschied zu uns sehe ich darin, dass wir niemanden ausgrenzen wollen und auch nicht für Schwellenangst sorgen. Wer sich etwas genauer mit dem Laden beschäftigt, zum Beispiel in einem feministischen Fanzine blättert, wird sowieso früher oder später merken, dass das hier einen politischen Anspruch hat.«

»DIY« hat eine lange, weit verzweigte Geschichte. In den USA verbindet »DIY« die verschiedensten minoritären Interessengruppen, deren gemeinsames Anliegen es ist, Machtstrukturen und Normvorstellungen zu unterwandern. Hier begegnen sich Leute aus der Punk-Szene mit solchen, die eher in feministischen oder queeren Strukturen aktiv sind, hier kommen Tierschützer und Globalisierungsgegner ebenso zusammen wie Menschen, die sich einfach aus einem Boheme-Ansatz heraus entschlossen haben, künstlerisch aktiv zu werden. Damit dieser Austausch in Köln in Schwung kommen kann, sind künftig Lesungen und kleine akustische Konzerte im Laden geplant. »Wir müssen alle erst einmal damit umzugehen lernen, dass das hier ein öffentlicher Raum ist«, sagt Britta lachend, »und dass es keine Schande ist, wenn wir uns für unsere Arbeit am Monatsende auch auszahlen.«

Craftista! – vegan café & records/CDs & books/zines & indie crafts, Lübecker Str. 14 / 50670 Köln, Di- Fr 11-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr, So 12-17 Uhr, www.craftista.org