Nichts geht mehr

Die SPD in der Innenstadt fordert einen Fußgängerbeauftragten. Die Verwaltung ist dagegen

 

»Das ist eine Kampfzone«, sagt Regina Börschel. Die SPD-Bezirkspolitikerin steht unter der Eigelsteintorburg und blickt Richtung Ebertplatz. Ein Mittwochnachmittag Mitte Juli, das Wetter sommerlich. In den Eiscafés und Burger-Buden gibt es keinen freien Platz mehr. Börschel zeigt auf den Durchgang zwischen den Stühlen und Tischen der Außengastronomie. Radfahrer und Fußgänger passieren dort aus beiden Richtungen eine Schneise, die nur wenige Meter breit ist. »Wer Stadt und Verkehr so plant, provoziert Konflikte. Die Schwächsten im Verkehr werden gegeneinander ausgespielt«, sagt Regina Börschel.

 

Aus Sicht der Vorsitzenden der SPD-Fraktion in der Innenstadt werden Fußgänger im Verkehr benachteiligt. Die Sozialdemokraten haben deshalb im Juni in der Bezirksvertretung Innenstadt den Antrag gestellt, die Stelle eines »Fußgängerbeauftragten« in der Stadtverwaltung zu schaffen. Eine Person soll dort als »Anwalt für die Belange von Fußgängern« auftreten — wenn neue Infrastruktur geplant und gebaut wird, aber auch, wenn man mit dem Kinderwagen nicht durchkommt oder Gehwegplatten wackeln. Die SPD vergleicht den Posten mit dem des Fahrradbeauftragten im Amt für Straßen und Verkehrstechnik.

 

Von der Eigelsteintorburg spazieren wir mit der Bezirkspolitikerin Börschel durch die Innenstadt. Es beginnt im Stakkato. Der Gehweg vom Eigelstein zum Hauptbahnhof ist zwischen Autoparkplätzen und den Werbetafeln der Ladenlokale eingezwängt. »Wenn man mit einem Rollstuhl oder Rollator unterwegs ist, kann man nur auf die Straße ausweichen«, sagt Börschel. Das müssen auch wir bald: Vor der ehemaligen Gaffel-Brauerei endet der Gehweg vor einem Bauzaun. »In Baustellen sollen sich Fußgänger meistens selbst ihren Weg suchen«, kommentiert Börschel.

 

Die Bezirksvertretung sprach sich zwar einstimmig für einen Fußgängerbeauftragten aus. Dass es den Posten geben wird, heißt das aber nicht. Zum einen kann die Politik der Verwaltung neue Stellen lediglich empfehlen. Zum anderen handelt es sich um ein Anliegen mit sogenannter gesamtstädtischer Bedeutung, über das nur der Rat der Stadt entscheiden kann. Regina Börschel weiß das natürlich, sie sagt aber: »Wir wollen mit dem Antrag ein Signal setzen.« Mit der eigenen Ratsfraktion befindet sie sich in Gesprächen. Börschel glaubt zudem, im Rat weitere Fürsprecher zu finden. »Und der Rat kann über den Haushalt sehr wohl Schwerpunkte in der Verwaltungsarbeit setzen.« Denn nur das, wofür es Geld gibt, kann umgesetzt werden.

 

Wir gehen weiter. An der Marzellenstraße kurven wir um Lieferwagen, die auf dem Gehweg stehen, und Fahrräder, die an Laternen parken und uns den Weg versperren. »Parkraum für Fahrräder ist wichtig«, sagt Börschel. »Aber der entsteht dann oft zu Ungunsten der Fußgänger.« Um die Trankgasse auf dem Weg zum Dom zu kreuzen, müssen wir allein zwei Fußgänger-Ampeln überqueren. »Man merkt an vielen Dingen, dass Fußgänger kaum mitgedacht werden«, sagt Börschel. »Ihnen fehlt die Lobby.«

 

In der Stadtverwaltung sieht man das anders. »Die Aspekte des Fußverkehrs werden als integrierter Bestandteil der Planungsprozesse zur Gestaltung des öffentlichen Raumes durch die Ämter berücksichtigt«, teilt das Verkehrsdezernat mit. Dezernentin Andrea Blome sieht keinen Sinn darin, die Verkehrsmittel auf unterschiedliche Ämtern und Dienststellen zu verteilen. Einem Ratsbeschluss vom Februar, der mit den Stimmen von CDU, Grünen, Linken, der Wählergruppe GUT und OB Henriette Reker ein neues Amt für Fuß- und Radverkehr empfahl, kam die Verwaltung nicht nach, obwohl das Verkehrsdezernat in der Zwischenzeit neu strukturiert wurde. »Wir sind von der Entscheidung schwer enttäuscht«, sagt Thor Zimmermann, der mit der Wählergruppe GUT den Vorstoß für das neue
Amt unternahm. »Das wäre ein Bekenntnis zur Verkehrswende gewesen.« Ihm zeige dies, dass die Verwaltung Fußgänger als Verkehrsträger nicht ernst nehme. Regina Börschel sieht das ähnlich: »Unsere Forderung nach einem Fußgängerbeauftragten ist eine Reaktion auf bestehende Defizite.« Nach der aktuellen Studie »Mobilität in Deutschland 2017« legen die Kölner 25 Prozent ihrer Wege zu Fuß zurück. Der Wert hat sich seit der letzten Erhebung 2006 kaum verändert. Dabei hatte die Stadt angekündigt, nachhaltige Mobilität ausbauen zu wollen — also auch den Fußgängerverkehr.

 

Unser Spaziergang führt uns auf die Breite Straße und die Ehrenstraße — und zu einem weiteren Anliegen von Bezirkspolitikerin Börschel: »Wenn eine Stadt für Fußgänger attraktiv ist, hat sie auch eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität.« Ausgerechnet in den beiden Einkaufsstraßen aber ist der Gehweg so schmal, dass wir kaum nebeneinander gehen können. Erst recht nicht mehr, als ein provisorisches Verkehrsschild vor uns auf dem Bürgersteig steht. Der Rundgang endet schließlich am Hohenzollernring. Die Ringe waren einst der prächtige Boulevard der Stadt. Wer heute entspannt durch Köln flanieren möchte, macht um die vierspurige Autostraße aber besser einen großen Bogen.