23 Sprachen auf einem Bild: Mitarbeiterinnen von Agisra, Foto: Manfred Wegener

»Wovor sollte ich Angst ­haben?«

Bei Agisra helfen Migrantinnen anderen ­Migrantinnen — seit 25 Jahren

Neulich wollte Behshid Najafi morgens die Beratungsstelle aufschließen, da sah sie zwei schlafende Frauen vor der Tür liegen. Ein Liebespaar, das aus der Ukraine geflohen war. Sie hatten nicht viel mehr im Gepäck als einen Zettel mit der Anschrift des Hauses, an dem sie in der Nacht angekommen waren. Die Frauen waren direkt aus der Ukraine zu Agisra in Köln geflohen.

 

»Wir haben halt einen großen Erfahrungsschatz«, sagt Behshid Najafi. Die 61-Jährige hat den Verein vor 25 Jahren mitgegründet, finanziert wurden die Stellen als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Damals teilten sich die Mitarbeiterinnen zu dritt ein Ein-Zimmer-Büro im Kunibertsviertel. Agisra steht für »Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung«. Ur-sprüng-lich ging es vor allem um den Kampf gegen Sextourismus und Frauenhandel. »Wir haben uns aber von Beginn an für die Rechte der geflüchteten Frauen und Heiratsmigrantinnnen eingesetzt.«, so Najafi. Das Grundprinzip von Agisra: Es arbeiten Migrantinnen für Migrantinnen, und zwar unabhängig von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Aufenthaltsstatus oder Sprachkenntnissen. »Wir haben nie jemanden weggeschickt«, so Najafi. Selbst wenn es manchmal wochenlang dauerte, bis für die Frauen ein Dolmetscher gefunden wurde.

 

Heute geht es meist schneller, allein die 16 Mitarbeiterinnen von Agisra beraten in insgesamt 23 Sprachen. Sie arbeiten inzwischen auf einer ganzen Büro-Etage in der Altstadt. Trotzdem ist es zu eng. Sie helfen, wenn es ums Aufenthaltsrecht, häusliche Gewalt oder Zwangsehen geht. Schwangere Frauen ohne Papiere — zu Agisra kommen die besonders schwierigen Fälle. Oft werden sie von Polizei oder Behörden geschickt. Behshid Najafi erzählt, wie sie im Jahr 2003 von der damaligen Leiterin der Ausländerbehörde angezeigt worden waren, wegen »Beihilfe zum illegalen Aufenthalt«. Die Aktivistinnen von Agisra hatten ein 16 Jahre altes Mädchen aus der Abschiebehaft geholt und in eine Jugend-ein-richtung gebracht. Als das Mädchen abgeschoben werden sollte, war es bei einer Freundin und drei Tage lang nicht auffindbar. Die Ermittlungen wurden später ohne Tatverdacht eingestellt. Seit 2011 wird Agisra von der Stadt dafür bezahlt, um die Frauen ohne Aufenthaltsstatus zu unterstützen. »Da gab es schon eine erfreuliche Wende«, sagt sie.

 

Die Verschärfung des Asylrechts in den vergangenen zwei Jahren macht den Mitarbeiterinnen von Agisra jedoch die Arbeit schwer. Da ist zum Beispiel die Wohnsitzauflage, die seit anderthalb Jahren auch für anerkannte Flüchtlinge gilt. Das macht es ihnen manchmal unmöglich, geflüchtete Frauen, die von ihren Männern geschlagen werden, in Frauenhäusern unterbringen.

 

Behshid Najafi selbst ist in den 80er Jahren aus dem Iran geflohen. Sie war dort in einer linken Untergrundorganisation aktiv, engagierte sich für Frauenrechte. Mehrere ihrer Freundinnen landeten im Gefängnis. »Ich musste immer Angst haben, eingesperrt zu werden. Aber hier in Deutschland: Wovor sollte ich Angst haben?«