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»Keine Geschäfte mit Wohnungen«

Die Wohnungsnot in deutschen Großstädten nimmt zu, auch in Köln. Die Konzepte der Kommunen wirken machtlos, der Bund stiehlt sich aus der Verantwortung. Eine Neue Wohnungsgemeinützigkeit könnte dagegen ­helfen, findet der Stadt­sozio­­loge Andrej Holm.

Im Gespräch erklärt er, was die Politik dafür tun muss

 

»Mit Wohnungen sollen keine Geschäfte gemacht werden«

 

Die Wohnungsnot in deutschen Großstädten nimmt zu, auch in Köln. Die Konzepte der Kommunen wirken machtlos, der Bund stiehlt sich aus der Verantwortung. Eine Neue Wohnungsgemeinützig wird dagegen helfen, findet der Stadtsoziologe Andrej Holm. Im Gespräch erklärt er, was die Politik dafür tun muss.  

 

Herr Holm, was versteht man überhaupt unter Wohnungsgemeinnützigkeit?

 

Unter dem Stichwort »Neue Wohnungsgemeinnützigkeit« werden Modelle für Non-Profit-Bauträger verstanden, die eine dauerhafte soziale Wohnungsversorgung sicher stellen sollen. Im engeren Verständnis ist die Gemeinnützigkeit ein steuerrechtliches Instrument, das Institutionen, Vereine oder eben Wohnungsbaugesellschaften von Steuern befreit, die einen gemeinnützigen Zweck erfüllen. Mit der Steuerbefreiung werden oft weitere Bedingungen verbunden wie eine Zweckbindung der Einnahmen, eine Gewinnbeschränkung und eine strenge Non-Profit-Orientierung. Seit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1989 haben wir kaum noch solche nicht-profitorientierten Wohnungsbauträger.

 


Warum wurde 1989 die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft und wer hat davon profitiert?

 

Bereits in den 80er Jahren wurde von konservativer Seite eine Diskussion über die »Steuerverschwendung« der Gemeinnützigkeit angeregt. In den 90er Jahren setzte sich dann die Überzeugung durch, dass dem Markt keine gemeinnützige Konkurrenz an die Seite gestellt werden sollte. Der Effekt war, dass Marktprinzipien die Mietpreisgestaltung noch stärker bestimmt haben als vorher. Kompensiert wurde das etwa durch Wohngeld oder Kosten für die Unterkunft, die sich im Moment auf 15 bis 17 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Gelder, die vorgeblich eine sozialpolitische Funktion haben, aber den Vermietern zufließen und damit letztendlich nichts anderes sind als eine Wirtschaftsförderung für überwiegend private Wohnungsunternehmen.

 


In Köln fehlen bis 2029 mehr als 60.000 Wohnungen. Wie könnte das von Ihnen entwickelte Modell einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit (NWG) Abhilfe schaffen?

 

In Köln ist der Wohnungsbedarf — wie in allen anderen deutschen Großstädten — nicht nur in den Gesamtzahlen zu bemessen. Es fehlt eine große Zahl an Wohnungen zu Preisen, die auch für mittlere und geringe Einkommensbezieher bezahlbar sind. Und in vielen Städten fallen derzeit geförderte Wohnungen aus den Bindungen. Trotz neuer Förderprogramme nimmt so die Zahl der Sozialwohnungen stetig ab. Mit der Gemeinnützigkeit wollen wir erreichen, dass gemeinnützige Träger sozial gebundene Wohnungen dauerhaft anbieten. Durch die Kombination von Fördermodellen und Steuerbegünstigungen wäre es möglich, Wohnungen zu Preisen auch unter fünf Euro pro Quadratmeter anzubieten. Das heißt, eine Wohnversorgung für Geringverdiener knapp über den Transferleistungen zu gewährleisten, die in den Förderprogrammen derzeit gar nicht vorgesehen sind. 

 


Wer hätte Anrecht auf diese Wohnungen?

 

Besteht nicht die Gefahr einer Ghettoisierung? Das Prinzip des einkommensabhängigen Wohnberechtigungsscheins sollte es bei der NWG auch geben. Man kann wie in Berlin innerhalb der Gruppe von Berechtigten noch mal Quoten festlegen, nach denen zum Beispiel 25 Prozent aller Wohnungen an Wohnungssuchende mit besonderen Bedarfen vergeben werden. Um eine Ghettoisierung zu verhindern, sollte ein gemeinnütziges Wohnungsangebot sich allerdings an möglichst breite Schichten der Bevölkerung richten. Da in Städten wie Berlin, Frankfurt oder Köln immerhin 40-50 Prozent der Haushalte eine Berechtigung für eine geförderte Wohnung haben, sehe ich in der NWG allerdings kaum die Gefahr der Ghettoisierung. 

 


Was macht kommunale Modelle wie das kooperative Baulandmodell, Mietpreisbremse oder Milieuschutzsatzung so wirkungslos?

 

Milieuschutzsatzungen oder die Mietpreisbremse setzen Markmechanismen wie den Drang nach einer Höchstmiete nicht außer Kraft, sondern versuchen nur, ihn zu bändigen und zu beschränken. Überall, wo es Einschränkungen gibt, gibt es auch Lücken. Und auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften müssen Gewinne abführen, die dann für andere Zwecke genutzt werden. Das soll es mit der NWG nicht mehr geben. Mit Wohnungen sollen keine Geschäfte gemacht werden.

 


Aus welchem Grund wollen Sie die NWG auf der Ebene der Wohnungsunternehmen selbst festschreiben?

 

Weil alle bisherigen Maßnahmen wie Fördergelder oder Wohngeld unvollkommene Maßnahmen darstellen und die Profitorientierung in der Wohnungsbewirtschaftung nicht aufheben. Deshalb wollen wir die sozialen Versorgungsziele auf der Unternehmensseite selbst festschreiben. Unternehmen, die sich der Gemeinnützigkeit verpflichten, müssen dann nicht durch mietrechtliche- und städtebaurechtliche Instrumente gebändigt werden. Die Gemeinnützigkeit wäre mit einer Steuererleichterung bei der Körperschaftssteuer verbunden. Gemeinnützige Unternehmen sollten allerdings auch schon beim Bau von Wohnungen steuerlich, also bei der Mehrwertsteuer, entlastet werden. Und sie sollen einen exklusiven Zugang zu städtischen Grundstücken haben.

 


Sollten sich nicht auch Wohnungsbauunternehmen der Kommunen selbst stärker im gemeinnützigen Wohnungsbau engagieren?

 

Das ist ein Trend, den es zum Teil schon gibt. In Dresden, wo Anfang der Nuller Jahre der kommunale Wohnungsbestand verkauft worden ist, wird inzwischen wieder eine eigene Wohnungsbaugesellschaft aufgebaut. Auch in Berlin sollen die Bestände wieder erweitert werden. Damit die soziale Orientierung nicht nur eine kurzfristige Phase bleibt, müssten die kommunalen Unternehmen auf Gemeinnützigkeit verpflichtet und von der Quersubventionierung anderer kommunaler Aufgaben entbunden werden. Erwirtschaftete Überschüsse sollten wieder in den sozialen Wohnungsbau fließen.

 


Würden die Steuerausfälle nicht die Schulden einer Stadt wie Köln weiter erhöhen?

 

Da mit der NWG Fragen der Körperschaftssteuer berührt werden, muss die NWG auf Bundesebene eingeführt werden. Der Bund müsste dafür auch die entsprechenden Mittel bereitstellen. So lange es auf der Bundesebene keine politischen Mehrheiten für eine soziale Wohnversorgung gibt, sind aber auch die Länder und Kommunen gefragt, Pilotprojekte zu entwickeln.

 


In Köln wie im Rest der Republik ist die Verteuerung des Baulands ein zentraler Kostentreiber. Wie lässt sich das für gemeinnützige Wohnungsunternehmen kompensieren, wenn nicht über die Mieten?

 

Das ist ein zentraler Punkt. Um eine soziale Wohnversorgung zu sichern, brauchen wir städtische Grundstücke und öffentliche Flächen. Städte, die sich ein Vorkaufsrecht auf Grundstücke gesichert haben, können dieses an gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften abtreten. Darüber hinaus kann die Finanzierungslast der Gesellschaften durch das Bauen in Erbbaupacht deutlich gesenkt werden. Letztlich müssen die Städte in der Liegenschaftspolitik auch neue Wege gehen, die die Spekulation beschränken. In Österreich gibt es Widmungspreise, wonach beispielsweise 50 Prozent des Baulands an gemeinnützige Wohnungsunternehmen zu staatlich festgesetzten Preisen abgegeben werden muss.