Felix Droese, »Antiterroreinheit unterwegs zu einem Begräbnis der Kunst«, 1992–2000, 14 Papierschnitte, Fotocarton, collagiert | © Foto: Gert Jan van Rooij, courtesy: Galerie Onrust, Amsterdam

Und ... Cut!

Mit »Schnittstelle« schlägt das Bonner Museum August Macke Haus ein neues Kapitel auf

Der Einstieg ist rundweg gelungen. Zum ersten Mal hält zeitgenössische Kunst in das Museum August Macke Haus Einzug, ermöglicht durch neue Präsentationsflächen im 2017 eröffneten Erweiterungsbau. Dazu ist die Themenstellung dieser Ausstellung klug gewählt. Die Ausstellung »Schnittstelle« bietet eine Übersicht über aktuelle Positionen, die sich dem vermeintlich verstaubten Medium des Scherenschnitts oder Schattenrisses bedienen. Die Schnittstelle zu August Macke liefert ein Blick zurück in die Kunst der 1910er- und 20er-Jahre, wo der Scherenschnitt im Umfeld Mackes bereits eine wieder erwachte Aufmerksamkeit erhielt. Von Ernst Moritz Engert, dem Dandy im Kreis der rheinischen Expressionisten, sind diverse seiner virtuosen Porträtsilhouetten und skurrilen Schattenspielfiguren zu sehen. Berührend und schön anzusehen ist auch die restaurierte Fassung des Animationsfilms »Die Abenteuer des Prinzen Achmed« von Lotte Reiniger (1926).

 

Im Blick auf die Gegenwart wird das Spektrum der Möglichkeiten mit den Schnitten ins Papier noch mal deutlich erweitert. Als Auflösung des Zeichnungsbegriffs erobert der Scherenschnitt den Raum, wird zum skulpturalen Objekt oder zur Installation. In der Bonner Show sind Positionen aus dem Rheinland prominent vertreten. Die rohen Papierschnitte des Beuys-Schülers Felix Droese künden von den Schattenseiten des Lebens; seine Prozession lebensgroßer Figuren tragen ihre versehrten Körperteile an Infusionsständern vor sich her. Heike Weber erzeugt räumliche Tiefe, indem sie ihre großformatige Arbeit in mehreren Schichten auf Abstand zur Wand montiert, so dass sie farbige Schatten werfen und das Bild eines Blätterrauschens im Dämmerlicht hervorrufen. 

 

Akribisch seziert Katharina Hinsberg die weiße Fläche des Papiers und schafft ein ornamentales, netzartiges Liniengespinst. Den betulich ausgefalteten Scherenschnitt verwendet Tobias Gerber für bitterböse, wenngleich humorvolle Bildfindungen voller Gewalt- und Unterdrückungsphantasien. Getragen von einem sowohl neoromantischen als auch avantgardistischen Impuls, zeigen die 16 zeitgenössischen Ansätze, wie die Gattung aktualisiert werden und relevante Themen behandeln kann. Nicht länger nur »Optische Spiele für das innere Auge« (Ludwig Uhland) bietet die Ausstellung, vielmehr einen spannenden und dichten Überblick über ein zu Unrecht belächeltes Medium.

 

»Schnittstelle — Cut-out trifft Schattenriss«, Museum August Macke Haus, Hochstadenring 36, 53119 Bonn, Di–So 11–17, Do 13–21 Uhr, bis 4.11.