Asi mit Niwoh

Oliver Schwabes Asi mit Niwoh — Die Jürgen Zeltinger Geschichte feiert

Premiere auf dem Film Festival Cologne, im Anschluss tritt Zeltinger auf

Es beginnt mit Respektbekundungen, die in erster Linie physisch begründet sind: Wenn man Zeltinger an einem schlechten Tag begegnet sei, das wissen alle Weggefährten zu berichten, dann gab schnell was aufs Maul. Ganz so, wie es Jürgen Zeltinger im Song besungen hat, der dem Film den Titel gibt: »Ich bin ein Asi mit Niwoh/ Lese Lyrik auf dem Klo/ Ich poliere Kritikern die Fressen«. Und weiter: »Für die Band mach ich das Abendessen.« Und genau deshalb haben sie ihn auch bei allem Respekt vor seinen kräftigen Oberarmen lieb. Der Heiner Lauterbach und der Anton Claaßen alias »Langer Tünn« genauso wie der Wolfgang Niedecken oder der Arno Steffen, der viele Songs für ihn schrieb. Einstige Kölner Milieu-Sympathisanten die einen, Kölner Musikerkollegen die anderen.  

 

Der Kölner Filmemacher Oliver Schwabe hat »de Plaat«, wie der wohl immer schon kahle Sänger in der Szene heißt, ein rundum gelungenes Porträt gewidmet, das sehr gut davon lebt, dass Zeltinger den abgeschmackten Titel »Kölner Original« mit Fug und Recht tragen darf. Aber auch von fabelhaften Fundstücken aus öffentlich-rechtlichen und privaten Filmarchiven: So konnte Schwabe denkwürdige TV-Aufritte mit Herbert Fux, Elke Heidenreich und — besonders bizarr — mit Paul Breitner montieren. Aber auch Super-8-Material aus Zeltingers Privatarchiv, das ihn mit Christian Kahrmann, dem »Benny Beimer aus der Lindenstraße« bei einer Wohnmobilreise durch Kalifornien zeigt. Oder es wird ein Kameraschwenk über Köln präsentiert, als Zeltinger noch im obersten Stockwerk des Uni Centers residierte, dort Orgien feierte und mit einer Pistole in die Decke schoss, um seinen »Lakaien«, den er sich hielt, anzufordern. »Ich habe Zeltinger mein Exposé für den Film geschickt und er hat mir sehr schnell vertraut«, sagt Schwabe vom Beginn des Projekts. »Mich interessieren Pop-Phänomene, und ich habe mich immer gewundert, warum es ausgerechnet über Zeltinger keinen Film gibt.« 

 

Vielleicht ist eine Erklärung der eingeschränkte Aktionsradius des rustikalen Sängers. Denn jenseits des Rheinlands nimmt das Interesse an seiner Person deutlich ab. So denkt Schwabe an eine Untertitelung, um den Film auch außer Sichtweite des Doms zeigen zu können. Selbst der WDR, mit dem Schwabe sonst gut kooperiert, zeigte kein Interesse am Porträt der »Plaat«. So stand die Finanzierung zwischenzeitlich auf der Kippe, wie Schwabe und sein Produzent Christian Becker freimütig einräumen, »Zeltinger ist definitiv nicht political correct und kein Mann fürs ganz große Publikum«, sagt Schwabe, »Er ist tatsächlich ein Asi mit Niveau — aber ein lieber.« 

 

Schwabe, 1966 in Hannover geboren, feierte 2004 sein Kinodebüt als Regisseur mit dem Spielfilm »Egoshooter«. Doch durch sein gesamtes Schaffen zieht sich eine Affinität zu Musik und Musikern. Er stand hinter der Kamera bei der fingierten Band-Doku »Fraktus«, lieferte Arte eine Dokumentation über Prince und drehte im vergangenen Jahr »Tokio Hotel — Hinter die Welt«. Schwabe sagt: »Auch bei dieser Arbeit interessierte mich das Phänomen: Was sind das für Typen, die in jüngsten Jahren schon planen, Superstars zu werden, und denen das auch gelingt bis heute.« Es gehe ihm niemals darum, irgend jemanden vorzuführen. Auch deshalb verzichtet Schwabe auf Off-Kommentare, lässt nur seine Protagonisten und die Bilder sprechen. 

 

Zwei Jahre lang traf Schwabe sich immer wieder zu Gesprächen und Drehs mit dem 69-jährigen Zeltinger, den er erstmals bei einem Live-Auftritt 1980 im Aachener Audimax erlebte. »Ich habe ihm die Möglichkeit eingeräumt, Antworten zu verweigern. Aber davon hat er keinen Gebrauch gemacht«, sagt Schwabe. »Er hat auf alles geantwortet und kein Blatt vor den Mund genommen. Dass er nicht über jede Antwort lange nachdenkt, ist auch seine Qualität.«

 

Im Lauf der Dreharbeiten wur-de den Machern auch zunehmend klar, dass sie einen Köln-Film drehen. »Ich habe durch Zeltinger angefangen, Köln noch einmal ganz anders zu sehen.« So kommt auch der mittlerweile abgerissene Musik-club Underground in Ehrenfeld zu einem letzten Auftritt, aber auch Vogelsang, wo Zeltinger mittlerweile in schlichten Verhältnissen wohnt und mit einem elektrisch betriebenen Scooter seine Runden dreht.

 

Schwabe hat an der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM) studiert. »Dass einer meiner Professoren Jürgen Klauke war, zeigt, dass ich ursprünglich in Richtung Kunst wollte«, sagt Schwabe. »Aber dann war die erste Doku, die ich an der KHM gemacht habe, gleich eine Musik-Doku. Vielleicht weil ich als Bassist zu schlecht war für eine eigene Musikerkarriere, vielleicht kompensiere ich das mit meinen Musikfilmen«, schiebt Schwabe lachend hinterher. 

 

Seine Arbeiten als O-Ton-Collagen anzulegen, führt Schwabe auch auf den verstorbenen Filmemacher Horst Königstein zurück, der ihn an der KHM an die Hand genommen habe und den er seinen »Filmpapa« nennt. »Königstein hat mich zum Fernsehen geholt, ich hatte dann beim NDR einen dreistündigen Sendeplatz, auf dem ich mich ausprobieren konnte, es durfte nur nicht viel kosten.« Auch wie er Themen angehe und Interviews führe, habe er von Königstein gelernt. »Die Welt seismografisch und unvoreingenommen wahrnehmen«, so Oliver Schwabe, »diesen Geist Königsteins trage ich in mir, solange ich Filme machen werde«.