Wilde Kerle

Handball ist die zweitgrößte Mannschaftssportart Deutschlands. Die Medien haben sie in den letzten Dekaden dennoch immer stärker marginalisiert – als Sportart ohne Geld, die in Kleinstädten wie Lemgo, Gummersbach und Kiel zu Hause ist. Eine Handball-WM in Deutschland sollte bloß ein weiteres Sportereignis unter vielen werden. Dass plötzlich Millionen vor dem Fernseher sitzen und sich die Seele aus dem Leib schreien würden für 16 Männer zwischen 23 und 38 Jahren, die sie nicht hören, aber vielleicht doch spüren können, war nicht zu erwarten.

Mehr als ein Wintermärchen

Was man wollte, als man mit der sich tapfer aus der Anfangsmisere raus- und immer ekstatischer hochspielenden DHB-Auswahl fieberte, war das »Wintermärchen«, die Fortsetzung der Fußball-WM. Woran man Teil haben durfte, war ungleich größer. Nun kommt mit Winfried Oelsners »Projekt Gold« ein erstaunlich schönes, menschlich ergreifendes Porträt dieser Mannschaft ins Kino.

Oelsners Team begann die DHB-Mannschaft Wochen vor Turnierbeginn beim Training zu filmen. Schon hier, in der Simulation, bekommt man eine Ahnung von der Härte des Spiels, der nötigen Präzision, der Leidensfähigkeit der Spieler (das beständige Tapen der Finger bekommt den Film über etwas Meditatives).

Von Adrenalin bis Verantwortung

Welche Nähe in diesen Wochen zwischen den Spielern entstanden ist, zeigt sich in den Turnierszenen. Am durchdringendsten vielleicht, als Henning Fritz nach dem Hauptrundenspiel gegen Slowenien – jener Tour de Force, in der die Mannschaft zu sich fand – in der Kabine quasi zusammenbricht und vor Erschöpfung nur noch stammeln kann, während das Adrenalin durch seinen Körper rast: ein intimer Augenblick, den Fritz zulässt, weil er weiß, dass Kameramann Frederik Walker – ein KHM-Absolvent – auf seine Menschlichkeit achtet.

Entsprechend geht Bundestrainer Heiner Brand mit seinen Spielern um. Er macht ihnen klar, dass sie für etwas arbeiten, das ihnen jetzt keiner geben und später niemand nehmen kann: das Gefühl, als verantwortungsbewusste Mitglieder einer Gemeinschaft solidarisch gehandelt und so das Beste aus sich wie den anderen geholt zu haben.

Das Nachher des Sieges

Kernszene des Films ist die Begegnung zwischen Heiner Brand und Rudi Rauer, seinerzeit dritter Torwart der Weltmeistermannschaft von 1978. Die Szene erzählt von dem langen Nachher eines solchen Sieges, wie unteilbar und kostbar so ein Ereignis ist. Etwas, das man nicht zeigen kann und das doch da ist – auch in den Stimmen der Spieler, die sich angenehm zu artikulieren wissen. Es ist ihr Sieg. Deutschland hat damit nichts zu tun.

Projekt Gold. D 07, R: Winfried Oelsner, 106 Min., ab 30.7.