Werk ohne Autor

Florian Henckel von Donnersmarck sucht nach dem Wesen der Kunst

2004 deckte der Journalist Jürgen Schreiber einen bitteren Zufall in der Biografie Gerhard Richters auf, der dem Künstler offenbar selbst unbekannt war: Wegen einer psychischen Krankheit war dessen Tante Anfang 1945 zum Opfer eines Massenmordes geworden, an dem als federführender Mediziner ausgerechnet der spätere Schwiegervater des Malers beteiligt war. Beide hat Richter gelegentlich gemalt — worin Florian Henckel von Donnersmarck offenbar begründet sieht, warum der KunstStar ein wirklich großer Künstler sei. Jedenfalls erscheint das als kuriose Quintessenz aus drei Stunden »Werk ohne Autor«, womit Richter offenbar nicht ganz einverstanden ist, weshalb die Hauptfigur dieses ebenso großspurigen wie kurzweiligen fiktionalisierten Biopics Kurt Barnert heißt.

 

Sein eigentümliches Kunstverständnis dekliniert der deutsch-österreichische Oscar-Gewinner in seinem dritten Spielfilm unbeirrt durch. Dabei problematisiert er die Banausenweisheit, dass Kunst von Können komme, wie auch den romantischen Topos mystisch-empfindsamer Künstlerpersönlichkeiten. Überdurchschnittliches Talent teilt Kurt mit dem Schwiegervater, sodass beide eigene Handlungen mit den jeweils selben lapidaren Worten erklären: »Weil ich es kann«. Wenn Kurt Barner als Jugendlicher in einem windumtosten Baumwipfel hockend plötzlich intuitiv versteht, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist dem mystischen Moment indes ein auffallend ähnliches Erweckungserlebnis der Tante vorausgegangen — als Auslöser ihrer psychischen Krankheit.

 

Trotz großen Könnens und Sensibilität bleibt Kurt Barner denn auch lange ziellos. Nachdem er als Kunststudent in Dresden lustlos sozialistisch-realistisch gepinselt hat, probiert er an der Düsseldorfer Kunstakademie die Moden der (erstaunlich verschmockt parodierten) westlichen Nachkriegskunst aus. Also muss Joseph Beuys (der hier ebenfalls anders heißt), seine kriegsversehrte Schädeldecke entblößen, damit Kurt klar wird, dass große Kunst, wie Henckel von Donnersmarck sie offenbar versteht, der subjektiven Auseinandersetzung mit Wunden bedarf, die nur die Weltgeschichte schlägt.

 

Demnach scheint es folgerichtig, dass der Filmemacher drei Jahrzehnte deutscher Geschichte als Bilderreigen anlegt, in dem Nazi-Morde neben alliierten Bombardierungen stehen. Falls auch Nuanciertheit und Sinn für Politik zum Kunstbegriff des Filmemachers gehören, lässt seine schwelgerische Inszenierung davon nichts ahnen — wozu wiederum passt, dass er mehrfach nackte Frauen als Verkörperungen des Wahren und Schönen präsentiert.

 

 

 

Werk ohne Autor D 2018, R: Florian Henckel von Donnersmarck, D: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer, 189 Min. Start: 3.10.