»Floraphilia — Plants as Archives«

Anders als das Wort Baumwolle suggeriert, wächst diese Faser nicht auf Bäumen. Sie stammt auch nicht von Schafen, die auf Bäumen wachsen, wie es sich ein Künstler des 14. Jahrhunderts in einem Holzschnitt bildlich vorstellte. Sie ist — ebenso wie Zuckerrohr oder Kaffee  — eine Pflanze mit kolonialer Vergangenheit. So wurde in der »Deutschen Kolonial-Ausstellung« in der Kölner Messe 1934 auch eine Baumwollkultur präsentiert. 

 

Für die Gruppenausstellung »Floraphilia. Über die Verflechtungen von Pflanzenwelt, Botanik und Kolonialismus« hat der Künstler Mateusz Okoński den Academy-space in der Herwarthstraße mit ungefärbtem Baumwollstoff ausgekleidet, wie mit einer umgekehrten gigantischen Husse, die dem Schutz von Möbeln dient. So wird der Ausstellungsraum zu einem begehbaren Kokon. Der Komfort dieser dritten Haut ist jedoch untrennbar verknüpft mit den äußerst unkomfortablen Lebensbedingungen derer, die ihn außerhalb des scheinbar neutralen weißen Ausstellungsraums produzierten und immer noch produzieren.

 

»Floraphilia« versammelt künstlerische Arbeiten aus, mit und über Pflanzen als organische Archive und als Lebewesen, die Geschichten -er-zählen. Nicht umsonst verglich Walter Benjamin die Suche nach Erinnerungen mit dem Umgraben von Erde. So dokumentiert Maria Theresa Alves in »Seeds of Change« die Vegetation europäischer Hafenstädte; dort kommen Gewächse aus anderen Kontinenten oft zufällig mit Containerschiffen an Land, wo sie Verkehrswege und Wirtschaftsbeziehungen abbilden. Erstaunlich ist die Langlebigkeit von Pflanzen und Samen, die Jahrzehnte überstehen können. Karolina Grzywnowicz fand in polnischen Grenz-gebieten Pflanzen, die an Zwangs-umsied-lungen von Dörfern während des Zweiten Weltkriegs erinnern — als lebendige Zeugnisse der zer-störten Siedlungen. Einige dieser Gewächse, die buchstäblich histo-rische Wurzeln haben, gedeihen in der Ausstellung unter LED-Lampen weiter. 

 

Im Schaufenster des Academy-space lockt eine Upcycling-Kollektion gebrauchter Kleidungsstücke von Magda Buczek an ausgewählten Verkaufsterminen zu bewusstem Konsum. Die aufgedruckten Statements werden dann von den Träge-r*innen in die Welt getragen. Dig it!

 

 

Academyspace der Akademie der Künste der Welt, Herwarthstr. 3, Do/Fr 15–19, Sa/So 14–18 Uhr, bis 18.11., Eintritt frei

 

 

Symposion & Performance: 

 

So 30.9., »Floraphilia. Botanical Garden as a Colonial Site«, Flora Köln (Am Botanischen Garten 1a), 18.30 Uhr

 

 

Kurzfilm-Nacht 

 

Mi 31.10., »Floraphilia: Cinematic Herbarium«, Kunsthochschule für Medien, 20 Uhr