Exzess in Reih und Glied: Karneval am Chlodwigplatz, Foto: Stephan T. Anemueller

Dionysos im Dixiland

Vor einem Jahr lief der Elfte im Elften aus dem Ruder. Seither sucht Köln Regeln für die Anarchie

 

Nach dem Karneval ist vor dem Karneval. Bei den einen löst das Unbehagen aus, bei den anderen blanke Angst. Im vergangenen Jahr fand am Elften im Elften die endgeilste Ballermannparty nördlich der Alpen statt — und das, obwohl das sonst pflichtschuldige Stadtmarketing sie nicht mal als solche beworben hatte! Der Sessionsauftakt war auf einen Samstag gefallen, das Wetter war bestens geeignet, um zwischen zwei Thekenterminen noch mal die Botanik körperwarm zu tränken. Der Festkomitee-Präsident fand sogar noch einen Grund: Im Gegensatz zu Ostern findet der 11.11. immer am gleichen Datum statt — das könne man sich gut merken. Wohl auch deshalb geht es Ostern in Köln immer vergleichsweise gesittet zu. Ob Wochentag, Wetter oder Schnapszahl-Datum: Jedenfalls kam der kölsche Fasteleer ganz zu sich selbst. Dionysischer Mysterienkult: schrankenloses Besäufnis, vollumfängliche Enthemmung, und alle Jecken eins mit sich und dem Universum. In den Epizentren des Bierbebens — Altstadt, Südstadt und Kwartier Latäng — materialisierte sich die pure Lebenswut in Urin, Erbrochenem und Müll. So weit, so kölsch. Bloß: Irgendwie doof, dass Karneval als familienfreundliches Fest mit Tradition beschworen wird, vor allem von den hauptamtlichen Karnevalisten selbst. Davon war auf den Kölner Straßen nichts zu finden.  

 

Oberbürgermeisterin Henriette Reker zückte ihre Allzweckwaffe und stellte einen Suchtrupp zusammen: den »Runden Tisch«! Was tun, wenn einem alles zu viel wird? Dann braucht man nicht weniger, sondern mehr! Quasi das Konter-Bier zum Kater. Also, mehr Müllabfuhr, mehr Personal, das diejenigen weckt, die ein Nickerchen auf den Bahngleisen machen, und vor allem mehr Dixi-Klos. Kölle war Dixiland! Und gut, dass auch Querdenker im Team waren. Denn, was hilft, wenn zu viele Minderjährige auf Wodka-Red-Bull die Stadt belagern? Genau: mehr Veranstaltungen! Brings und Konsorten können das Geld gut gebrauchen.

 

Wie so oft: Die kölsche Lösung fluppte. 13 Wochen nach »11/11« wirkte Weiberfastnacht im Februar wie ein Junggesellenabschied in der Bundesgesundheitszentrale.

 

Also will die Stadt künftig wieder Bonus-Bühnen aufbauen, um den Straßenkarneval zu dezentralisieren. Schlimm seien ja vor allem die wilden Horden, die aus dem Umland einfallen, und uns »unseren Karneval« kaputtmachen.

 

Ein Blick in den Kalender könnte die Experten aber ohnehin davon abgehalten haben, die Konzepte längerfristig anzulegen. Denn: Dieses Jahr liegt der 11.11. — nee, nicht nur auf dem 11.11. — sondern auch noch auf einem Sonntag! Da bleibt zwischen Kirchgang und »Tatort« (wieder eine Karnevals-Episode mit Ballauf und Schenk?) kaum noch Zeit, Köln zu verwüsten! Läutet alle Glocken!