Funkt einsam vor sich hin: der Colonius am Grüngürtel, Foto: Marcel Wurm

Viva Colonius

Der Ehrenfelder Fernsehturm fristet ein schnödes Dasein als Funkturm. Das soll sich jetzt ändern

 

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat da letztens etwas Witziges gesagt. Als sie bildhaft beschreiben wollte, wie lang die neuen Langzüge der KVB sind, die ab den 20er Jahren durch Köln rollen sollen, hat sie sich ordentlich im Maßstab vertan: »Bahnen — so lang wie der Colonius hoch«. Huch! Reker wusste entweder nicht, wie kurz Langzüge sind, nämlich 90 Meter, oder wie lang der Colonius ist, nämlich 266 Meter. Das zeigt einmal mehr: Das höchste Gebäude der Stadt, das die größte römisch-katholische Kirche um mehr als einen Langzug überragt, ist dem Bewusstsein der Kölnerinnen und Kölner entrückt. Er ist mitten unter uns, aber die Stadt fremdelt mit dem grauen Betonriesen.

 

Wie aber sollen die Bürger und ihr Fernsehturm noch zueinander finden? Das Drehrestaurant schloss 1994, die Besucherplattform 1998. Mittlerweile sucht man nach Zeitzeugen für historische Dokumentationen, die erzählen, wie die Schwarzwälderkirschtorte schmeckt, wenn man auf Köln herunter blickt und dass man für eine Party den Aufzugswärter dazu mieten musste. Seit mittlerweile 20 Jahren hat der Colonius eigentlich nur noch eine Funktion: als Teil der Stadtsilhouette, gedruckt auf eine Plastiktasche oder ein Polyester-Shirt als Touristen-Nepp an der Komödienstraße.

 

Die Kölner Politik will nun zwischen Kölnern und Colonius vermitteln: CDU, Grüne, FDP und die Ratsgruppe Gut, die für ihre Ehrenfelder Klientel das Thema auf die Agenda gebracht hat, wollen für 50.000 Euro prüfen lassen, ob man den schlafenden Riesen wiederbeleben kann. Die Parteien-Allianz hat den Betrag im kommenden Haushaltsjahr dafür eingeplant. Das Gutachten soll den Weg zur Wiedereröffnung weisen. Wie kann es der Colonius in Zukunft wieder mit dem Düsseldorfer Rheinturm oder dem noch berühmteren Hauptstadt-Kollegen am Alexanderplatz aufnehmen?

 

Der Turm gehört der Telekom-Tochter Deutsche Funkturm. Die hätte zwar nichts gegen eine Wiederinbetriebnahme, aber auch nichts davon. Für sie ist der Fernsehturm eben in erster Linie ein Fernsehturm — und kein Wahrzeichen oder ein Café mit toller Aussicht. Das ist ja auch verständlich. Probleme macht vor allem der Brandschutz. Weil im Colonius unter anderem ein zweiter Aufzug als Fluchtweg gebaut werden müsste, wird seine Wiederinbetriebnahme teuer — mindestens 15 Mio. Euro. Dafür muss man viele Americanos verkaufen. Als Werbeplattform kann den Turm aber auch niemand nutzen, solange der Telekom-Schriftzug daran prangt. Für Investoren ist der Colonius also wenig attraktiv. Und die Stadt hat bislang auch keine Anstalten gemacht, Geld in den Riesen zu stecken, der ihr nicht mal gehört.

 

Dabei kann man sich für den Colonius so viele Dinge vorstellen: eine Plattform zum Hipster-Watching auf der Venloer Straße oder am Brüsseler Platz. Oder ein ausgelagertes Minarett für die Zentral-moschee. Irgendwie sind Fernsehtürme als Wahrzeichen ja ohnehin das, was Kirchen früher waren. Und vielleicht liegt da ja auch die Lösung: Der Colonius bekommt Glocken und wird der Ersatzdom zu Ehrenfeld. Immer eine Langzug-Länge voraus.