Der magische Wasserkocher

Die Musik von Beak> ist ganz simpel. Eigentlich

Manchmal huscht die gesamte Ahnenreihe als Schatten übers Gesicht, man sieht in den Spiegel und schaut auf Selfies und entdeckt Gesichter, die zu »mir selbst« doch gar nicht gehören. Eine eigenartige Fremd-Werdung. Wem gehört mein Gesicht? Das ist keine alberne Frage.

 

Diese unheimliche Wiederkehr des Vergangenen kann man auch hören. Durch die Musik von Beak> , vor zehn Jahren gestartet als nerdiges Studioprojekt von Geoff Barrow, den alle als Produzenten von Portishead und »Erfinder« des Bristol-Sounds (»TripHop«) kennen, maunzen die Geister und Untoten: Pink Floyd, Neu! und Can, This Heat, PIL und Stereolab, Kurt Cobain, die jungen Depeche Mode (die waren wirklich mal jung!). Es ist schwer, Beak> zu fixieren. Und das ist wirklich verrückt, denn Barrow, der sich als veritabler Schlagzeuger entpuppt, Billy Fuller, der einen ultratighten, dennoch kindlich hüpfenden Bass spielt, als wäre Holger Czukay bei Neu! eingestiegen, und (seit 2016) Keyboarder und Gitarrist Will Young spielen einen brutal reduzierten, innerlich spürbar entspannten, aber äußerlich nahezu maskenhaften Präzisionsrock. Es ist eigentlich nicht möglich, aus dieser Musik diese Einflüsse und Vorläufer herauszuhören, denn die Musiker verbannen allen Zierrat, also auch offensichtliche Zitate. Man nimmt Barrow, Fuller und Young sofort ab, dass sie sich einfach im Studio verabreden und zu jammen beginnen — immer mit einem denkbar einfachen Riff als Ausgangspunkt, auf den erwartbare harmonische Wendungen und rhythmische Akzentuierungen folgen. Es ist sehr überraschungsarme Musik. Und genau darin ist sie großartig! Denn die Musiker zeigen, dass man eine ungeheure Spannung allein aus solch schlichten Voraussetzungen erzeugen kann. Man ist dann so gebannt, dass der weitere Songaufbau die Hörer mit der Wucht einer Offenbarung trifft — die Gespenster treten hervor. Man vergisst, dass auch Beak> nur mit Wasser kochen. Oder besser: Man will danach auch nur noch mit Wasser kochen.

 

Eigentlich wollte Barrow bloß ausprobieren, wie es ist, als superprofilierter Produzent in einem Hightech-Studio zu spielen, als wäre man im Proberaum und so unbedarft wie zu Schulbandzeiten. Beak> kommen ohne Overdubs aus, ihre Tracks sind einfach Ausschnitte aus langen Sessions. Gerade dieses Ausklammern der eigenen Professionalität, die sie aber nie ganz werden verdrängen können, schafft den Platz für geradezu schamanistische Geisterbeschwörungen. Beak> sind eine häufig gebuchte Band, Festivals reißen sich um sie. Jetzt haben sie ihr drittes Album veröffentlicht. Immer noch verzichten sie lässig auf Kreativität, es heißt schlicht: >>>.

 

 

Tonträger: >>> ist erschienen auf Invada Records (Rough Trade).