George Benjamin Luks, Boxing Match (Boxkampf), 1910 | courtesy: Wallraf-Richartz Museum

Bilder aus der alten neuen Welt

Die Supershow »Es war einmal in Amerika« bietet eine sinnliche Einführung in die Kunstgeschichte der USA

»Eigentlich wollte ich nur Köln besuchen und nun habe ich Amerika entdeckt«, ist im Gästebuch zu lesen. Ein Satz, der mit wenigen Worten beschreibt, was es derzeit im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen gibt. Eine ungewöhnliche Schau mit Werken US-amerikanischer Kunst, die die Entwicklung von einer kolonialen, konservativ geprägten Gesellschaft hin zu einer modernen Nation widerspiegelt.

 

Man sollte meinen, dass es eine bewusste Entscheidung war, eine Ausstellung über amerikanische Kunst just in diesen global schwierigen Zeiten zu machen. Fakt aber ist, dass die Schau mit dem doppeldeutigen Titel »Es war einmal in Amerika« weder auf das gleichnamige Gangster-Epos aus dem Jahr 1984 anspielt noch auf Donald Trump, der beinahe täglich Beispiele dafür liefert, wie man mit einem einzigen Tweet alte Werte über Bord werfen kann. An Trump dachte damals aber noch keiner: Fünfeinhalb Jahre dauerte es von der Idee bis zur Eröffnung Ende November.

 

Jetzt sind 130 Werke, im wesentlichen Gemälde, Skulpturen sowie eine Auswahl an Native American Art in chronologischer Abfolge ausgestellt. Bis auf wenige Ausnahmen stammen sie aus US-amerikanischen Sammlungen. Darunter so berühmte Bilder wie das von Gilbert Stuart gemalte Porträt George Washingtons, des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, oder von John Trumbull, das die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung im Juli 1776 thematisiert und die USA nie zuvor verlassen hat. Auch Abraham Lincoln reiht sich ein, als Bronzeguss, sitzend in Denkerpose, dem Lincoln-Memorial-Denkmal in Washington nachempfunden. Und da sind wir wieder bei den wahrhaft großen Präsidenten der USA, was dem Titel der Schau — ob gewollt oder nicht — zumindest im übertragenen Sinn gerecht wird.

 

Wenngleich es in Deutschland bereits mehrfach Ausstellungen gegeben hat, die die US-Kunst explizit thematisierten, dann bislang doch keine, die eine derart breite Zeitspanne umfasst. Sie reicht von 1650 bis 1950. In acht Sektionen wird die Vielfalt grundlegender künstlerischer Entwicklungen gezeigt. Wenig bekannte, auf das Wesentliche reduzierte Porträts der ersten großen Gruppe von Einwanderern machen den Anfang: Strenggläubige Puritaner, die zumeist aus England und Schottland kamen, um in Amerika der religiösen Verfolgung zu entkommen und zugleich das »wahre Christentum« unters Volk zu bringen. Weiter geht es über die bereits erwähnte Unabhängigkeit, die Hudson River School, die einen romantischen Blick auf die Landschaft der USA wirft (was später aufgrund des zunehmenden Tourismus zu deren Kategorisierung in Nationalparks führte), den Bürgerkrieg, zur Kunst des von Mark Twain kreierten Begriffs des »Vergoldeten Zeitalters«, das für das Aufblühen Amerikas nach dem Bürgerkrieg steht. Auch dem in unseren Vorstellungen romantischen »Wilden Westen«, der so romantisch bekanntlich nicht war, wird Platz eingeräumt. Die Bronzeskulptur eines Zureiters, der auf sein Pferd eindrischt, um es gefügig zu machen, zeugt von der harten Realität und nicht zuletzt der Vereinnahmung von Natur und Mensch — »anderen« Menschen — durch die weißen Siedler. 

 

Mit der Industrialisierung wirft die »Ascheimer«-Schule einen ersten »trashigen« Blick auf das moderne Amerika. Die Motive der »men of rebellion«, eine Künstlergruppe, an deren Spitze Robert Henri stand, handeln vom Treiben in der Großstadt, dem Straßenverkehr, den (damals illegalen) Boxkämpfen und den anrüchigen Etablissements. Wunderbar in diesem Zusammenhang das Porträt der »maurischen Königin« von Robert Henri aus dem Jahr 1906.

 

Mit der legendären Armory-Show schwappt schließlich 1913 die europäische Avantgarde über den großen Teich. Anlass war die ein Jahr zuvor in Köln gezeigte Sonderbundausstellung, bei der sich die amerikanischen Ausstellungsmacher von den diversen Ismen — Kubismus, Fauvismus, Futurismus... — inspirieren ließen. Deren Auswirkungen kommen vor allem in Bildmotiven der sich auch städtebaulich rasant entwickelnden Metropole New York zum Tragen, wie etwa Joseph Stellas »American Landscape« (1929) eindrucksvoll zeigt. In den späten 30er Jahren verkehren sich die Vorzeichen: Mit Edward Hopper, Georgia O’Keeffe, Jackson Pollock, Mark Rothko und Kollegen erobern jetzt amerikanische Künstler den europäischen Markt. Deren hierzulande wohlbekannte Werke bilden das letzte Kapitel der Präsentation.

 

Bereichert und nachdenklich verlässt man diese aufschlussreiche, wichtige Schau, die einen historischen Abriss US-amerikanischer Kunst vermittelt und in der Summe auf das verweist, was Amerika einst tatsächlich groß gemacht hat: demokratische Werte, Toleranz, Freiheitsliebe, Wohlstandsstreben und aufrichtige Moral.

 

»Es war einmal in Amerika.
300 Jahre US-amerikanische Kunst«, Wallraf-Richartz-Museum —
Fondation Corboud, bis 24.3.