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Der Netflix-Film »Roma« spaltet nicht nur die Kölner Kinobetreiber

»Mein Job ist es, tolle Filme auf der Leinwand zu zeigen«, sagt Jürgen Lütz, einer der Betreiber des Kölner Odeon-Kinos. Was sonst?, könnte man erwidern. Doch im Dezember ist diese Selbstverständlichkeit zum Politikum geworden. Mit der Entscheidung, als einziges Kölner Kino den von Netflix produzierten »Roma« zu zeigen, hat sich das Odeon gegen die Linie der eigenen Interessenvertreter der AG Kino gestellt. Der Zusammenschluss von über 350 deutschen Filmkunsttheatern hatte beschlossen, dass ihre Mitglieder keine Produktionen des Streamingriesen in die Kinos bringen. Denn Netflix hält sich nicht an die üblichen Auswertungsfenster. In Deutschland ist für geförderte Filme eine mindestens viermonatige Pause zwischen Kinostart und Heimkino-Verwertung vorgeschrieben. »Roma« war schon eine Woche nach dem Kinostart am 6. Dezember auf Netflix abrufbar.

 

»Ohne Diskussion: nein!«, antwortet Dirk Steinkühler auf die Frage, ob er »Roma« in der von ihm mitbetriebenen Filmpalette gezeigt hätte, wenn er gefragt worden wäre. »Es kommen genug Filme normal ins Kino.«

 

Das stimmt ohne Zweifel. Doch nicht allzu viele wie Alfonso Cuaróns »Roma« — schwarzweiß im Königsformat 65mm gedreht, von der Kritik gefeiert, Venedig-Gewinner und einer der Favoriten für die Oscarverleihung Ende Februar.

 

Die Lage ist paradox: »Roma« ist großes Kino von einem großen Autorenfilmer, das aber in Hollywood kaum mehr Finanzierung findet. In diese Lücke stößt Netflix — das wiederum kein Interesse am Kino als Ort gemeinschaftlichen Filmerlebens hat. Im Gegenteil: Mit seinem disruptiven Geschäftsmodell verhält sich der Streamingdienst so, als ob er das Kino zerstören will. Anders lässt sich die paradoxe Netflix-Politik kaum deuten. Auf der einen Seite bringen sie »Roma« ins Kino, um die Publicity einzuheimsen, die das immer noch mit sich bringt. Auf der anderen Seite versteckt Netflix den Kinostart. Eine Woche vor dem 6. Dezember war etwa kaum herauszufinden, in welchen deutschen Kinos der Film überhaupt zu sehen sein wird. Das Kino wird so zur Werbeplattform für das Streamingangebot erniedrigt.

 

Auf die Frage, ob das Odeon mit seiner Entscheidung, »Roma« zu zeigen, nicht langfristig das Kino schwächt, antwortet Jürgen Lütz: »Das werden ganz andere Leute tun«. Für die nächste Zeit haben fast alle großen Player im Filmbusiness (und zusätzlich Apple) eigene Streamingdienste angekündigt. Ende 2019 wird Disney in dieses Geschäft einsteigen. Um Abonnenten an sich zu binden, braucht auch der mit Abstand erfolgreichste Filmproduzent der letzten Jahre exklusive und attraktive Streaminginhalte. Sollte er bei seinen Marvel-, Star-Wars-, Pixar-Franchises und den Eigenproduktionen eine ähnliche Kinopolitik wie Netflix verfolgen, würde das den Kinomarkt komplett umkrempeln.