Brüllen Plappern Posieren

Der renommierte Choreograf Richard Siegal inszeniert Roughhouse am Schauspiel

 

Die Überraschung spricht für Siegal. Er platziert fünf Ensemble-Schauspieler, vier Tänzer und zwei Musiker (Komposition: Lorenzo Bianchi Hoesch) vor eine papierene Rückwand. Ab und zu springt jemand durch sie hindurch. Es knallt. Die Wand fängt Farbspritzer auf und Projektionen von Farben, Gitter- und Netzmustern. Weiße Turnmatten auf dem Boden verhindern, dass sich jemand wehtut. Der von Siegal verfasste Text ist leider auf Englisch; die deutschen Obertitel sind unprak-tisch. Die Darsteller, benannt als sie selbst, plappern und kalauern so rasant, dass ihre Redseligkeit sich wiederholenden und falsch verschal-teten Kommunikationsmaschinen zu entspringen scheint. »Speaking as a woman of colour«, spricht mal eine weiße Frau, mal ein Mann. Es soll egal sein, beliebig sein, wer was sagt. Die Sätze und Begriffe klappern, reimen sich, hüpfen, eine Anspielung auf das belanglose Rauschen im Internet. 

 

Siegal leitet nun eine Art neue Tanz-kompanie an den Städtischen Bühnen, in Kooperation mit dem Schau-spiel Köln, mitfinanziert vom Land NRW und der Bundeskulturstiftung: neun Auftritte in dieser Spielzeit. Sein Ballet of Difference, mit Sitz in München, hatte schon 2017 in Köln gastiert und letztes Jahr die Premiere des Dreiteilers »On Body« gezeigt, mit schnittigem Ballett auf Spitze, in teilweise knallbunten und aufblasbaren Kostümen. Das neue »Roughhouse« ist anders. 

 

Hier tanzen die Darsteller wenig, mal ein wendiges Duett, in dem die Partnerin zum Dummy mutiert, dann ein bisschen Beine werfen, mit der Hüfte wackeln, marschieren. »To roughhouse« bedeutet spielerisch zu raufen. Das ist hier aber nicht ge--meint, es geht darum, wie im Netz kommuniziert wird. Das ist hochaktuell, dazu theaterselbstreflexiv, aber an diesem Abend nichts-sa-gend. Er beginnt banal als billige TV-Studioszene mit Kameras, Mikrofonangeln und einer absurden Buchvor-stellung. Hinein platzt eine »Revolution« mit Pistolen aus gestreckten Fingern, Kampfposen, Karate, »Blut«--Spritzern, Disputen über »falsch« und Farben, »shades of grey« oder »blue«, über synästhetisches Wahrnehmen samt Wikipedia-Eintrag zum Gyrus Fusiformus im Gehirn, über #metoo, Opfersein, Opfersein für Geld, Robotersein und Schmerz-empfinden. Verstreu-te »Orestie«-Zi-ta-te kulminieren im Monolog einer Kassandra vor dem Palast des Agamemnon. Am Ende kommt noch ein Witz, für den Aischylos herhalten muss und über den niemand lacht. So kommt eben das ganze Stück daher: wie ein schlecht erzählter Witz. Scha-de.

 

 

»Roughhouse«, C: Richard Siegal