Helden aus Fleisch und Blut

Zu den Aspekten der japanischen Kultur, die aus der Ferne immer besonders verblüffend wirken, gehören die fließenden Grenzen zwischen Real- und Animations-filmen. Letztere lösen im Westen gerne Kommentare aus wie: »Die Geschichte hätte man doch auch als Spielfilm inszenieren können«; während erstere immer wieder Manga, also japanische Comics, als Inspirationsquellen verwenden — und das nicht nur bei Werken, die ohne Spezialeffekte zu realisieren wären. Das Japanische Kulturinstitut widmet sich mit einem Programm den Spielfilmen: Noch bis in den März sind dort Manga-Realfilmadaptionen aller Art zu sehen.

 

Mehrheitlich stammen sie aus diesem Jahrhundert, wobei man viel weiter zurückgehen könnte. Eines der ersten Meisterwerke von Ichikawa Kon, »Pû-san« (1953), basiert auf der gleichnamigen Manga-Serie von Yokoyama Taizô. Ichikawa ist das vielleicht faszinierendste Beispiel für das beschriebene schillernde Ineinander der Bildwelten. Deren grafische Gewaltigkeit und Komplexität hat viel zu tun mit so verschiedenen Ausdrucksformen wie Holzschnitt, Zeichnung und Typografie.

 

Solches Raffinement finden man im Programm des Japanischen Kulturinstitut nicht — aber dennoch viel Schönes. Aus den frühen 90er Jahren etwa zwei Preziosen, die ihre jeweiligen Regisseure schlagartig international berühmt machten: Matsuoka Jôjis Schwimmbadfilm »Bataashi kingyo« erzählt eine Teenie-Romanze mit guter Geduld und gelassen-süffisanter Ironie. Takenaka Naotos »Munô no hito«, eine Adaption von Tsuge Yoshiharus gleichnamigem (sur)realistischen Meisterwerk, zeigt sich der Vorlagenbedeutung auf allen Ebenen gewachsen. Sprung in die 2000er Jahre: Kaneko Shûsuke, einer der unbedingt Entdeckungsbedürftigen des japanischen Gegenwartskinos, gelingt mit »Desu nôto« und » Desu nôto: The Last Name« ein atemberaubender Drahtseilakt zwischen den Formen und Ästhetiken — ein Spielfilm, der sich wie ein animierter Comic mit Menschen anfühlt. Was uns in die Gegenwart bringt, zu »Shingeki no kyojin: Attack on Titan« von 2015. Regie führte Spezialeffektspezialist Higuchi Shinji, dessen künstlerische Leere stets einen Koregisseur nötig macht, den er hier leider nicht hatte.

 


Infos: jki.de