Marginalien im Museum

Warum Filmausstellungen das Kino als Kunstform nicht ernst nehmen

 


»Es lässt sich beweisen, dass Film Kunst ist«, dieser Satz des Filmtheoretikers Rudolf Arnheim steht am Ende der Ausstellung »Kino der Moderne — Film in der Weimarer Republik« an der Wand eines Lesesaals. In dem runden Raum kommen verschiedene Geistesgrößen der 20er Jahre zu Wort. Die Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle nimmt das Diktum von Arnheim allerdings nicht ernst. Sie zeigt im Gegenteil, dass Film nicht gleichberechtigt in den Pantheon der Künste aufgenommen wurde.

 

»Kino der Moderne« stellt Kostüme, Plakate, Fotos, Skizzen und Filmtechnik aus — sogar ein Rennwagen der 20er Jahre wurde aus einer Autosammlung angekarrt. Filme werden auch gezeigt — meist auf kleinen Monitoren in kurzen Ausschnitten. In voller Länge vorgeführt werden nur ein paar Avantgarde-Kurzfilme, deren Digitalisate per Beamer in einem kleinen Raum auf eine Wand geworfen werden. Ein Filmprogramm mit Spiel- oder Dokumentarfilmen zur Ausstellung gibt es nicht — obwohl das Museum über einen eigenen Saal mit Kinotechnik im Souterrain
verfügt.

 

Man stelle sich vor, in einer Ausstellung mit Stilllebenmalerei würde ein renommiertes Kunstmuseum Pinsel und Staffeleien zeigen, Essschalen, Totenköpfe und andere Gegenstände, die zum Genreinventar gehören. Die Gemälde wären lediglich als fotografische Reproduktionen in Ausschnitten zu sehen. Das wäre natürlich undenkbar und würde einen Sturm der Entrüstung auslösen. Bei Ausstellungen zum Thema Kino ist die Präsentation von solchen Nebensächlichkeiten als Hauptsache jedoch gang und gäbe — Bonn steht da nicht allein. 

 

Wie es anders gehen kann, zeigt das Österreichische Filmmuseum seit seiner Gründung im Jahre 1964. Wer das Gebäude in der Wiener Innenstadt betritt, bekommt keinen Ausstellungsraum mit früher Filmtechnik oder Plakaten und Kostümen zu sehen, sondern: Filme. Und zwar da, wo sie hingehören: auf einer Leinwand in einem perfekt abgedunkelten Kinosaal. Und in der korrekten Form: das heißt, historische Filme werden — so weit möglich — als analoge Kopien vorgeführt. Damit soll nicht gesagt sein, dass all die Gegenstände, die in Bonn gezeigt werden, nichts in einer Ausstellung zu suchen haben. Sie gehören aber in Technikmuseen, historische Museen oder in Museen für Angewandte Kunst. So lange in den Kunsttempeln die Leinwände für Gemälde vorbehalten sind, hat der Film hier nichts zu suchen.

 

Text: Sven von Reden

 

 

 

 

Die Bonner Ausstellung Kino der Moderne zeigt vor allem die Sicht von heute

 

 

Nachdem die Berlinale 2018 das Kino der Weimarer Republik in seiner Retrospektive abgefeiert hat, gibt es nun in der Bundeskunsthalle in Bonn die Ausstellung zum Thema. Und wie schon die Schau beim Filmfestival ist auch die Zusammenstellung im Museum hinterfragungsbedürftig. Kurz und knackig gesagt: Man malt ein Bild der Epoche, bei dem geflissentlich ignoriert wird, was dem heutigen Kulturbürger nicht mehr ganz so gut gefällt.

 

Das sind zuerst die extremen und extremistischen rechten Kulturen und deren Avantgarde-Entwürfe. Das Kino der 20er und frühen 30er Jahre war eine Kampfzone wie auch Zeitungsstände oder Plakatsäulen. Sozialistische bis kommunistische und nationalkonservative bis faschistische Werke, Publikationen und Pamphlete warben aggressiv für ihre Interessen und Ziele. Ins Kino ging man auch, um sich über die Welt zu informieren, beziehungsweise die eigene Gesinnung bestätigt zu sehen. Die Rechte hatte ihr Kino, ihre Regisseure, ihre Moderne — aber davon bekommt man in Bonn wenig zu sehen. Die Rechte ist hier — wie immer — ein wenig bestimmbares, furchtbares Etwas, das bedrohlich über all den faszinierenden Phänomenen und verführerischen Sensationen der 20er Jahre hängt. Dabei war sie ein integraler und gut sichtbarer Teil der Normalität, der auch allseitig verehrte Klassiker der Ära wie Fritz Langs wenig fortschrittlich gesonnenen, aber visionär ausgestalteten »Metropolis« (1927) durchzieht. Genauso konnte sich Heinz Paul, eine der wichtigsten Gestalten des nationalkonservativen Kinos, bei »Die andere Seite« (1931) progressive Ambivalenzen nicht verkneifen. Denn Filme mussten möglichst viel für möglichst Viele bieten, damit diese Vielen auch ins Kino kamen — und für Kasse sorgen.

 

Jenseits all dessen: Einen Mercedes Monza zu Metzner Ernős Rennfahrerinnenfilm »Achtung! Liebe! Lebensgefahr!« (1929) zu stellen, erzählt wenig mehr als Zeitgeist; Marlene Dietrich wird durch ihre »Negerpuppe« kein schlechterer Mensch; ebenso kommen sich der Fotograf August Sander und der Kameramann Bruno Mondi nicht dadurch näher, dass man sie in Beziehung zueinander hängt. Film mag das Thema der Ausstellung sein, letztlich soll es aber allein Beweise liefern für Theorien oder Behauptungen, die mit dem Kino an sich nichts zu tun haben.

 

Text: Olaf Möller

 

 

Infos: bundeskunsthalle.de

 

Der Katalog orientiert sich mit seinen Kapiteln eng am Aufbau der Ausstellung. Inhaltlich bietet er wenig mehr als die Wandtexte. Stattdessen gibt es viele tolle Fotos der Aus-stellungsstücke. Ein Buch eher zum Blättern als zum lesen. Kino der Moderne — Film in der Weimarer Republik, Sandstein Verlag, 196 S., 29 Euro