Jungstötter

Es löst eine gewisse Irritation aus, wenn man feststellen muss, dass die eigenen musikalischen Assoziationen mit den handelsüblichen Lobgesängen der Promo-Schreiber übereinstimmen: Jungstötter (da-hinter steckt ein ausnahmsweise gelungener Namenswitz, aber dazu später) beherrscht die Kunst der Ballade, wie sie Neil Young in scharfer Abgrenzung zur Hippie-Kultur definiert hat — langgespannte Songbögen, in denen der Honig der Seele die Geschmacks-nuance bitterer Melancholie an--nimmt. Mit seiner Baritonstimme, die gravitätisch aus seinem ganzen Körper hervor zu treten scheint, kann der immer noch junge Lan-dauer das Stocken und Zögern eines Mark Hollis wachrufen und die tiefste innere Erschütterung eines Scott Walker, der an der Sinnhaftigkeit von Songs schon lange zweifelt. Jungstötter-Musik schreitet langsam und bedächtig einher, dann wirkt sie sehr viel mehr schüchtern als majestätisch.

 

Young, Hollis, Walker — man bilde sich bloß nichts auf seine Beobachtungsgabe ein, denn diese drei Namen zitiert auch das offizielle Promo-Sheet. Man kann das -als Zufall abtun, aber es ist vielleicht mehr. Jungstötters Sound ist dermaßen vintage, so aufrichtig geschmackvoll, dass er sich perfekt in den Hype um Handmade- und Craft-Kultur (»die neue Eigentlichkeit«, Juliane Reichert in der Welt) reiht. Das Potenzial seiner Musik ist riesig, es spricht überhaupt nichts dagegen, Young und Walker zu adaptieren, im Gegenteil, es verrät Ambitionen, die der heutigen Popmusik in den allermeisten Fällen abgehen. Aber die Haltung von so gebrochenen Künstlercharakteren wie Young, Walker und Hollis müsste man selbst wieder brechen — transzendieren.

 

Lassen wir das Gemäkel: Jungstötter heißt Altstötter (das ist also der Witz), Fabian mit Vornamen, und jetzt dürfte es klingeln, denn mit Sizarr tobte er noch vor wenigen Jahren als Fräulein-Wunder des deutschen Indie-Pop über die Bühnen. Jetzt sind die Haare kurz und die Klamotten abgetragen, sein Solo-Debüt »Love is« ist ohne großes Tamtam vor wenigen Wochen erschienen. Bei aller Schwermütigkeit der Musik — der Schritt ist einer in die Freiheit. Jetzt warten wir auf den nächsten, für den sich Jungstötter gerne Zeit lassen darf. Mark Hollis lässt sich ja für sein neues Album auch schon seit 1998 Zeit.