Abenteurer und Aussteiger

Die Reihe »Mythen der Wildnis« geht in die Natur

Das Filmforum folgt in diesem Jahr dem Ruf der Wildnis. Elf große und kleine Klassiker von 1925 bis 2018 erzählen im Rahmen der alljährlichen »Filmgeschichten«-Reihe von mal mehr und mal weniger freiwilligen Grenzerfahrungen mit Mutter Natur. Von Charlie Chaplin bis Werner Herzog herrscht dabei an Sonderlingen, Abenteurern und Aussteigern kein Mangel.  Trotz Evergreens wie Chaplins »Goldrausch« (1925) oder John Hustons »African Queen« (1951) lohnt sich ein Besuch nicht zuletzt, um so manches Versäumnis nachzuholen und vielgelobte Klassiker wie Hiroshi Teshigaharas »Die Frau in den Dünen« (1964) endlich so zu sehen, wie es sich gehört: auf der großen Leinwand. Ganz gleich ob man dabei versucht, den surreal-erotischen Reigen analytisch zu durchleuchten oder sich von der somnambulen Atmosphäre davontragen lässt, ist die (Wieder)Entdeckung des Meisterwerks überfällig. 

 

Neben Nicolas Roegs Down-Under-Sonnenstich »Walkabout« oder der tropischen Kinski/Herzog-Nervenprobe »Fitzcarraldo« findet sich aber auch gehobener New-Hollywood-Mainstream im Programm der Filmreihe. So bietet sich die Möglichkeit, Sidney Pollacks edlen Aussteiger-Western »Jeremiah Johnson« auf 35 Milimeter zu sehen und erneut zu staunen, wie formschön ein Robert-Redford-Starvehikel in jener goldenen Ära des US-Kinos ausfallen konnte. Die verschneiten Berge Colorados werden zur Seelenlandschaft des melancholischen Titelhelden, in denen er Liebe findet und verliert, mit Abgründen von Gewalt konfrontiert wird und schließlich lernt, seinen Feinden und sich selbst zu vergeben. 

 

Garniert mit Beiträgen von Agnès Varda (»Vogelfrei«, 1985) und Ciro Guerra (»Der Schamane und die Schlange«, 2015) wird sich die Reihe über das Jahr hindurch chronologisch in die Gegenwart vorarbeiten und im Dezember mit Ulrich Köhlers letztjähriger Robinsonade »In My Room« enden. Darin erwacht ein schluffiger Enddreißiger eines Tages als einziger Mensch in einer verlassenen Welt, die fortan von der Natur zurückerobert wird. In diese posthumane Wildnis verirrt sich bald eine Eva. Fortan ist klar, in welche Richtung sich der Garten Eden entwickeln wird. Bislang hat der Mensch schließlich noch jedes Paradies kleingekriegt.