Beale Street

Barry Jenkins (»Moonlight«) verfilmt James Baldwin ebenso realitätsnah wie träumerisch

Es beginnt als anrührende Liebesgeschichte, in der man dem afroamerikanischen Paar nur das Beste wünscht. Wir befinden uns im Harlem der 70er Jahre. Die 19-jährige Tish (bezaubernd: KiKi Layne) erzählt aus dem Off, begleitet von vignettenhaften Rückblenden, dass sie ihren drei Jahre älteren Freund Fonny schon seit ihrer Kindheit kenne. Das Körperliche habe lange Jahre keine Rolle gespielt. Doch dann habe es gefunkt. Jetzt ist Tish schwanger. Für ihre Eltern eine gute Nachricht, für ihre streng katholische Schwiegermutter in spe eher nicht. Doch dann wird Fonny fälschlicherweise der Vergewaltigung einer Puerto-Ricanerin bezichtigt. Nun sitzt er im Gefängnis. Wie soll er gegen die Aussage eines weißen Polizisten ankommen, ihn am Tatort gesehen zu haben? Und dann verschwindet das Opfer plötzlich zurück nach Puerto Rico.

 

Die Liebesgeschichte wechselt sich von nun an ab mit den Bemühungen von Tish und ihrer Mutter (klasse: Regina King), Fonny aus dem Gefängnis zu holen. Dabei kreiert Regisseur Barry Jenkins, wie schon in seinem Meisterwerk »Moonlight«, eine lyrische, fast schon magische Atmosphäre. Immer wieder nähert sich die schwebende Kamera den Figuren und fährt auf ihre schönen Gesichter zu. Manche Szenen sind unvergesslich, etwa wenn Tish beschreibt, wie sie in ihrem neuen Job als Parfümverkäuferin von den Kunden, abhängig von Hautfarbe, Alter oder Geschlecht, unterschiedlich behandelt wird. Einmal besichtigen Fonny und Tish auf ihrer komplizierten Wohnungssuche ein viel zu großes Loft. Wie Fonny pantomimisch mit dem Vermieter unsichtbare Möbel und Kühlschränke platziert, um Tish von der Schönheit der Wohnung zu überzeugen, ist herzzerreißend: Da ist einfach nichts, und jetzt, wo alles Geld für Fonnys Verteidigung draufgeht, wird da auch so schnell nichts hinkommen. Nicht zu vergessen ist auch jene Szene, in der Tish und Fonny zum ersten Mal miteinander schlafen und Jenkins ihnen behutsam und diskret alle Zeit der Welt lässt.

 

»Beale Street« beruht auf dem Buch »If Beale Street Could Talk« (deutscher Titel: »Beale Street Blues«) von James Baldwin. Eigentlich befindet sich die Straße in Memphis. Doch der Schauplatz New York zeugt von der Universalität der Geschichte: Schwarze geraten in Amerika schneller in die Mühlen der Justiz als Weiße, damals wie heute, egal wo. Liebesgeschichte und Kampf um Gerechtigkeit zugleich — bei aller Traumhaftigkeit der Inszenierung ist »Beale Street« auch verdammt realistisch und zornig.

 

 

Beale Street (If Beale Street Could Talk) USA 2018, R: Barry Jenkins, D: Kiki Layne, Stephan James, Regina King, 119 Min. Start: 7.3.