»Ich will ein Versteckspiel«

Die neue Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln

Maxa Zoller über das Ruhrgebiet, Bilderfallen und #MeToo

Bevor Sie zum Frauenfilmfestival gekommen sind, haben Sie sich unter anderem mit postsozialistischen Lebenswelten befasst. Gibt es Parallelen zum postindustriellen Ruhrgebiet?

 

In beiden Fällen ist eine Arbeiterkultur zusammengebrochen. Da wurde einfach der Faden abgeschnitten und nicht weitergeführt. Es gibt eine Art Entzug von einer Arbeit, die das Gebiet lange Zeit geprägt hat — eine sehr männliche und sehr harte Arbeit. Da tut sich ein riesiges Loch auf, das dann mit Borussia Dortmund gestopft wird. Wir müssen die Ohren aufmachen, zuhören und sehen, dass wir diese Arbeiterklassekultur würdigen. Das machen wir unter anderem mit Amateurfilmen aus dem Ruhrgebiet, die wir in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste der Welt auch in Köln zeigen.

 

 

Was hat das mit Frauen zu tun?

 


Was Männer betrifft, betrifft auch Frauen. Im Ruhrgebiet gilt es erst mal, diese Männerkultur zu würdigen. Frauen sind flexibler, die können sich besser neuen Gegebenheiten anpassen. Wir hatten einige Einreichungen, in denen es um die Vätergeneration des Wirtschaftswunder-Deutschlands geht — und wie diese die Töchter geprägt hat, die die Filme machen. 

 

 

In diesem Jahr findet das Festival in Dortmund statt, nächstes Jahr in Köln. Zwei sehr unterschiedliche Städte. Für ein Festival ist das kein einfacher Spagat. Wie wollen Sie den künftig meistern?

 

Wir machen jetzt schon viele Kooperationen in Köln, die darauf hinweisen, dass die Festivalstädte mehr zusammenwachsen. Den Max-Ophüls-Preis-Gewinner »Das melancholische Mädchen« präsentieren wir zusammen mit der Kunsthochschule für Medien, und mit der Internationalen Filmschule zeigen wir Filme über die Themen Gender und Diversity. Auch mit der Akademie der Künste der Welt arbeiten wir zusammen. Wir wollen uns mehr verzahnen und nicht nur einfliegen wie ein UFO, das heißt, auch unter dem Jahr kooperieren. Wir werden außerdem die Programme etwas angleichen, vielleicht schon nächstes Jahr. Nicht so, dass man an zwei Orten dasselbe Festival hat — aber fast. Ich finde diese zwei Herzschläge des Festivals durchaus inspirierend.

 

 

Gibt es nicht auch die Gefahr, dass man durch all diese Kooperationen das Profil des Festivals verliert?

 

So viele machen wir nun auch nicht. Die Kooperationen sind genau gesetzt. Es geht in Köln vor allem um Studierende und um Diversität. Mit Medica Mondiale zeigen wir »In Search ...« von Beryl Magoko und Jule Katinka Cramer, zwei Studentinnen der KHM, über Genitalverstümmelung.

 

 

In Dortmund gibt es auch eine Performance im öffentlichen Raum, eine Kooperation mit dem Fußballmuseum …

 

In Dortmund sind die Kooperationen breiter gefächert. Dortmund ist nicht in dem Maße Kultur- und Filmstadt wie Köln. Deswegen haben die Koops dort das Ziel, ein breiteres Publikum zu erreichen. Das ist für mich eine Geste Richtung Publikum: Ich komme auf euch zu.

 

 

Sie kommen aus der Kunstwelt. Können wir mehr Crossover dieser Art erwarten?

 

Das wird sich herausstellen. Es wäre meine natürliche Bewegung, weil ich aus dem Bereich komme. Aber ich weiß nicht, ob das Festival so etwas braucht. Die ganz große Baustelle ist eigentlich der Mainstream-Film: ihn gilt es zu öffnen, auch für neue, experimentelle Formen.

 

 

Täusche ich mich, oder sind mehr Kurzfilme im Programm?

 

Wir haben immer drei, vier Kurzfilmprogramme, in diesem Jahr auch ein Musikvideo-Kurzfilmprogramm. Musikfestivals sind ein wichtiges Vorbild für mich. Die Offenheit, die Atmosphäre und die Wissensproduktion durch das Soziale auf guten Musikfestivals strebe ich auch an.

 

 

War das diesjährige Themenprogramm Ihre Idee?

 

Das habe ich gesetzt: »Bilderfallen«. Es geht um Nachahmung, Verkörperung, Tarnung und diese ganzen Doppeldeutigkeiten. Es ist in Deutschland vonnöten, dass man mehr ins Performative geht und nicht immer so geradeaus und direkt ist. Als ausländische Deutsche — ich war 20 Jahre lang nicht hier — bringe ich das ein bisschen mit: die Performativität. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ich ein Thema finden wollte, bei dem das Publikum aktiv mitdenken muss. Dass es genau gucken muss: Wo werde ich hier aufs Glatteis geführt? Sehe ich wirklich, was ich annehme zu sehen? Ich will ein Versteckspiel. Den homo ludens ansprechen.

 

 

Hat sich eigentlich im Jahr zwei nach #Metoo die Arbeit für ein Frauenfilmfestival geändert?

 

Wir haben Rückenwind. Die Arbeit ist vorher und nachher gleichermaßen hart und kämpferisch, aber man reitet ein bisschen auf dieser Aufmerksamkeitswelle mit und muss aufpassen, dass man nicht abgetrieben wird.

 

 

Werden Frauenfilmfestivals immer vonnöten sein oder wäre Ihr größter Erfolg, sich selbst obsolet zu machen?

 

Das ist eine gute Frage. Im Prinzip letzteres, aber wir sind so weit davon entfernt — da sind Sie und ich längst zu Asche zerfallen, bevor das eintritt. 

 

 

 

Di 9.4.–So 14.4. Infos: frauenfilmfestival.eu

 

 

 

Maxa Zoller

Zoller promovierte 2008 bei Laura Mulvey und Ian Christie zu den Übergängen von Kunst und Kino. Anschließend lehrte sie als Dozentin für Kunst-, Filmtheorie und -geschichte am Londoner Goldsmiths College, am Sotheby’s  Institute of Art und von 2015-18 an der Amerikanischen Universität Kairo. Als freie Kuratorin arbeitete sie u.a. für die Art Basel und die Tate Modern. Seit Oktober 2018 leitet sie das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln.