Gedankenspiele

Killer&Killer stellt sich in »Die mit den Augen atmen« die Frage nach der Wirklichkeit

Wie wäre das: mit den Augen zu atmen? Vorstellbar höchstens in einer Wüste, am Meer oder über Hügeln. Holte man aber Luft vor und mit dem Anfangsbild dieser Performance von Killer & Killer, geriete man ins flache Schnaufen: Die aufgestellte Leinwand zeigt Kreise, die rasend wachsen, einer nach dem anderen, viel zu schnell, um irgendetwas anderes zu sein als Kreis-Kreis-Kreis in irgendwelchen Farben; nur manchmal ist plötzlich eine Pupille zu erkennen. Plopp, wieder weg.

 

Das Video von Thalia Killer, mit seinem Formüberfluss und zwischendurch scheinbarer Vervielfältigung der Solo-Performerin Sophie Killer auf der Bühne, wirkt merkwürdig unverbunden in »Die mit den Augen atmen«, dem neuen Gemeinschaftswerk der Kölner Schwestern. Es tendiert zum Nerven — wie die Welt, in der wir leben. 

 

Tatsächlich stellt die Schaupielerin und Tänzerin Sophie Killer eine genervte Figur dar, die sich, in Plastikjäckchen und fleischfarbenen Strumpfhosen, mit kleinen Rucks in Arm, Schulter, Fuß, Kopf als Avatar oder Roboterin ausgibt, sich vom Stuhl erhebt, dreht, Schrittchen schiebt, wie blind die Rückwand rammt, zusammenknickt, sich aufbaut, für größere Schritte vorsichtig die Fersen vorausdrückt, aufs Tischchen steigt, den Mund aufklappt, den Kopf schief legt und einen Text über Wissen, Programmieren und Wirklichkeit verlautbaren lässt. Dann fasst sie Zuschauer an: »Die Gedanken sind frei, sie versperren unsere Sicht.« Sie beschwert sich über Ablenkung. Von was? Das weiß niemand so richtig, so der Tenor auf der Bühne. Alles ist komplex — oder viel zu schnell. Lieber Nullen und Einsen des Binärcodes: »Die Erlösung liegt in der Künstlichkeit.« Es folgt Stille mit Denkerpose, den Kopf aufgestützt auf der Hand.

 

Den Trübsinn des Leerlaufs vertreibt diese Figur mit noch mehr Leerlauf und ihn umkreisenden Texten, indem sie zwischen gekünstelt und schuldig agiert. Der große Wurf ist der Premierenabend noch nicht, das Stück muss sich noch entwickeln. Aber es gewinnt durch seinen leisen, skurrilen Humor und diese sensationell unverschämte Dramaturgie, die sich dem Jammern verweigert und das Puppe-Mensch-Format früherer Stücke weiterführt. Sophie und Thalia Killer, die seit 2015 gemeinsam Bühnenstücke in Kooperationen mit Kollegen anderer Sparten verwirklichen, wie hier mit dem Künstler Anselm Koller und dem Musiker Vasko Damnajov, sind eine Bereicherung für die Tanztheaterszene in Köln.

 

 

»Die mit den Augen atmen«, C: Killer & Killer, Tanzfaktur Köln, Folgetermine im Herbst