Die Bewegung wächst: Klimastreik am 12. April am Alter Markt, Foto: Daniel Poštrak

Die Welt retten mit Kreide

Nur kein Personenkult: Die Kölner »Fridays for Future«-Schüler proben Basisdemokratie

 

In der Bottmühle liegt etwas von Pfadfinderlager in der Luft. Die ehemalige Getreidemühle in der Südstadt ist der Sitz des Jugendverbands der »Falken«. Seit einigen Monaten aber tagt hier jedes Wochenende auch das Plenum von Fridays for Future, der Kölner Ortsgruppe der Schülerbewegung für Klimaschutz. Heute treffen sich die Schüler früher als sonst, weil viele später noch zur Demo gegen den »Mietenwahnsinn« gehen wollen. Während draußen die schönste Frühlingssonne scheint, wird drinnen bei Wasser und Reiswaffeln die Tagesordnung abgearbeitet.

 


Es sind Schüler verschiedenster Kölner Schulen, von 13 bis 19 Jahren. Gerade stellt ein Schüler den Antrag, sich im Namen von Fridays for Future öffentlich gegen den »Bürgerdialog« der AfD auszusprechen, der am folgenden Tag in Kalk stattfinden soll. »Nicht wir haben uns die AfD als Feind ausgesucht, sie hat sich uns ausgesucht«, ruft der Schüler. »Sie stellt uns als dumme, indoktrinierte Kinder hin.« Man dürfe nicht auf jede Provokation der AfD eingehen, entgegnet eine Schülerin. Es folgt eine Diskussion mit Argumenten, wie man sie schon häufiger gehört hat. Aber nicht immer werden sie auf diesem Niveau und auf so respektvolle Art ausgetauscht. »Entschuldige, Hannah, aber hattest du dich gemeldet?«, fragt etwa eine 13-jährige Schülerin vom Hansa-Gymnasium, die die Versammlung leitet.

 


Die freitäglichen Schulstreiks fürs Klima reißen auch in Köln nicht ab. Sogar in den Osterferien wird weiter gestreikt. Viele Schüler, denen es bisher wichtiger war, den Unterricht nicht zu versäumen, haben angekündigt, in den Ferien erstmals mit zu demonstrieren. Die Bewegung wächst. Organisiert wird sie über je drei WhatsApp- und Telegram-Gruppen, und bei den Treffen des Plenums. Zudem gibt es etwa fünfzehn Arbeitsgruppen, die genaue Zahl kennt gerade niemand. Sie kümmern sich um Themen wie Finanzen, Mobilisation oder Anmeldung und Organisation der Kundgebungen. Die Kölner AG »Inhalt« hat auch an den Forderungen mitgearbeitet, die Fridays-for-Future-Aktivisten im April in Berlin vorstellten.

 


Um die bundesweite Vernetzung kümmern sich drei Delegierte aus Köln. Alle drei Wochen werden sie neu gewählt. Die Namen der Delegierten möchte man aber lieber nicht veröffentlicht haben. »Sie haben ja keine repräsentativen Funktionen«, sagt Max Petershagen aus der Presse-AG. Den Eindruck, einzelne Personen hätten besonders viel Einfluss, will man vermeiden. Nur keinen Personenkult, alles soll demokratisch ablaufen.

 


Mit den Protesten gehe jede Schule anders um, erzählen die Schüler. An einigen Schulen, etwa am Humboldt-Gymnasium, haben Lehrer den Protest auf den Lehrplan gesetzt und im Klassenverband »Exkursionen in die Praxis« veranstaltet. Die Mehrheit der Lehrer unterstützt wohl die Proteste. Wenn man Glück habe, schrieben sie die Fehlstunden freitags gar nicht ins Klassenbuch, erzählen die Schüler am Rande des Plenums. Reinhold Goss, ehemaliger Vorsitzender der Kölner Stadtschulpflegschaft, erklärt sich diese Gunst auch so: »Manche Lehrer zählen zu einer Generation, die selbst den Arsch hätte hochkriegen müssen. Jetzt lassen sie wenigstens ihre Schüler laufen.«

 


Doch dieses Wohlwollen stößt an Grenzen, denn Land und Bezirksregierung pochen auf das Schulgesetz. »Eine Verletzung der Schulpflicht kann gemäß dem Runderlass zur Überwachung der Schulpflicht verschiedene erzieherische Maßnahmen nach sich ziehen«, teilt Dirk Schneemann von der Bezirksregierung mit. Die Schulleiter würden unter Druck gesetzt, glaubt der ehemalige Elternvertreter Goss: »Da lässt das Ministerium die Muskeln spielen.« Das merken dann auch die Schüler. Einige seien schon von ihren Schulleitern zum Gespräch bestellt worden, erzählt Max Petershagen. »Ihnen wurden Konsequenzen angedroht, falls es zu weiteren unentschuldigten Fehlstunden kommt. Auch in Schreiben an die Eltern.« Bislang ist es in Köln wohl bei Drohungen geblieben.

 


Am 12. April trafen sich die Schüler zu Streik Nummer 18 auf dem Alter Markt. Dort wies die städtische Tochter AWB die Schüler darauf hin, dass man ihre mit Kreide auf den Boden gemalten Botschaften immer mit »Unmengen von Wasser« beseitigen müsse. Die Schüler sollten die Malereien einstellen. Die Ortsgruppe von Fridays for Future wertete diese Aufforderung in einem offenen Brief als »versuchte Einschüchterung und eine Behinderung unserer politischen Arbeit.« Nach einer Umfrage des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) in Berlin können sich die meisten der protestierenden Schüler mit keiner politischen Partei identifizieren. Am niedrigsten sind die Zustimmungswerte zur SPD (3,2 Prozent) und zur CDU (1,5 Prozent). »Wir sind doch eine überparteiliche Bewegung«, hört man im Plenum in der Bottmühle immer wieder. Am Ende beschließen sie, sich intern über Proteste gegen die AfD auf dem Laufenden zu halten. Öffentlich wollen sie aber kein Statement abgeben — auch wenn sie die AfD, wie eine Schülerin sagt, »richtig, richtig doof« finden.