Raum ohne Gemeinschaft: KAT18 in der Südstadt, Foto: Dörthe Boxberg

Letzter Akt für Hausprojekt

 

In der Südstadt soll eine der letzten Selbst­hilfeinitiativen dem Theater Der Keller weichen

 

 Zunächst die gute Nachricht: Das Theater Der Keller hat wahrscheinlich einen neuen Spielort gefunden. Seit 1975 residiert die Spielstätte in einem Wohnhaus an der Kleingedankstraße. Doch weil das Haus verkauft worden ist, muss das Off-Theater Ende Juli raus. Nach einem Übergangsjahr im Deutzer Hafen, so der Plan, soll das Theater im Herbst 2020 in einem Gewerbehof am Kartäuserwall 18 in der Südstadt wiedereröffnen.

 


Und jetzt die schlechte Nachricht: All das wird nur möglich sein, weil den Mietern der Werkstätten am Kartäuserwall gekündigt wurde. Die ebenfalls dort angesiedelten Ateliers der Gemeinnützigen Werkstätten, in denen Künstler mit Behinderung arbeiten, sind zwar nicht betroffen. Aber die Hausgemeinschaft, eines der letzten Selbsthilfeprojekte in der Südstadt, verliert Werkstätten, Büros und Gemeinschaftsräume. Für manche sind sie Existenzgrundlage.

 


Muriel Gonzales Athenas lebt seit 20 Jahren in einer der WGs in dem bis 1994 sanierten Komplex am Kartäuserwall. Sie hat auch einen der neun Räume im Hof gemietet und stellt ihn regelmäßig Frauengruppen zur Verfügung. Andere Räume werden als Werkstätten, Proberäume, Ateliers und Bürogemeinschaften genutzt — noch. Ende 2018 wurde allen Mietern gekündigt. Doch ohne Proteste wollen die meisten nicht gehen. »Da hängen Existenzen dran«, sagt Gonzales Athenas. Und Geschichte.

 


Die Stadt hatte das in den 80er Jahren besetzte Haus in der Südstadt Anfang der 90er Jahre an das damals landeseigene Wohnungsunternehmen LEG verkauft. Die LEG wurde dann 2008 von der CDU-geführten Landesregierung privatisiert. Heute ist die LEG börsennotiert und das drittgrößte Wohnungsunternehmen in Deutschland und laut Schätzungen und 6 Mrd. Euro wert. In der Südstadt gehören zum Bestand der LEG auch viele Sozialwohnungen. Weil auch das Ensemble am Kartäuserwall mit Krediten der öffentlichen Hand umgebaut wurde, waren die Mieten bislang begrenzt. In diesem Jahr aber läuft die Mietpreisbindung aus. Die LEG will nun die Gewerberäume zu »marktüblichen Konditionen« vermieten. Gewerberäume sind, anders als Wohnungen, kurzfristig kündbar.

 


Bislang lagen die Mieten zum Teil bei unter zwei Euro pro Quadratmeter. Wie viel Miete das Theater Der Keller zahlen soll, ist noch unklar. Der Betrag dürfte aber unter dem liegen, was die LEG für marktüblich hält. Ulrich Wackerhagen, kulturpolitischer Sprecher der FDP im Stadtrat, steht dem Trägerverein des Theaters vor. Er macht deutlich, dass ein Verzicht wohl kaum die alten Mietverträge retten würde. Die Alternative sei vielmehr eine Vermietung an zahlungskräftige kommerzielle Gewerbemieter, vermutet Wackerhagen. »Man muss realistisch sein. Die Zeit ist abgelaufen«, sagt er zur bisherigen Nutzung.

 


Theater und LEG prüfen derzeit, welche Umbauten notwendig wären. Veranstaltungen führten in der Vergangenheit immer wieder zu Streit mit Anwohnern. Wackerhagen schwärmt allerdings schon vom »großen Theaterraum« im Keller: 150 Plätze statt wie bisher 100, eine größere Bühne, mit Büros im Erdgeschoss. Förderanträge an Stadt und Land sowie der Bauantrag sind bereits eingereicht. Der Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke von den Grünen, versuchte noch zu vermitteln. Sein Vorschlag: Das Theater soll sich die  Räume mit den bisherigen Nutzern teilen. Das aber sei für das Theater nicht vorstellbar, sagt Ulrich Wackerhagen: »Wir brauchen die Büros.«

 


Im März forderte der Parteitag der Kölner SPD die Ratsfraktion und die Stadt zum Erhalt des »sozialen Gewerbes« am Kartäuserwall auf. SPD-Bezirksvertreter Tim Cremer nennt die Entwicklung »katastrophal«. Er sagt: »Wenn dieser Ort der Vielfalt verschwindet, hat das Auswirkungen auf das ganze Viertel.« Doch rechtlich und politisch sind die Optionen anscheinend begrenzt. »Die Privatisierung der LEG war ein Fehler«, sagt Michael Scheffer, Bezirksvertreter der Linken. Er appelliert, sich mit den derzeitigen Mietern auf langfristige Verträge zu einigen. »Das Projekt hat mehr als 30 Jahre dazu beigetragen, die Südstadt zu befrieden«, sagt Scheffer. »Es sollte erhalten bleiben.« Aber einen Anlass für berechtigte Hoffnungen, findet auch er nicht.