Immer drei Projekte gleichzeitig: Hannes Lang, Mareike Wegener, Foto: Marcel Wurm

Gemeinsam selbstbestimmt

 

Die Kölner Produktionskooperative »Petrolio« verteidigt ihre künstlerische Freiheit

 

Sennerinnen und Hirten stehen auf ihren Almen in den Alpen, ihre Rufe klingen weit über Berge und Täler hinweg, schwellen zu einem eigentümlichen Chor an. Gesprochen wird im halbstündigen Dokumentarfilm »RIAFN« nicht. Gespräche mit Protagonisten oder Informationen zu den Orten hat Filmemacher Hannes Lang weggelassen. Er habe die Aussage des Films nicht verwässern wollen, sagt er. »Ich wollte all das wegtun, so dass nur übrigbleibt, was Ausgangspunkt meines Interesses war: Das Rufen und seine Bedeutung.« Der Film läuft Anfang Mai im NRW-Wettbewerb der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.

 


Wie seinen langen Dokumentarfilm »I Want To See The Manager« hat Lang auch »RIAFN« selbst produziert. 2012 gründete er mit den Filmemacherinnen Mareike Wegener und Carmen Losmann die Produktionskooperative Petrolio. Die drei kennen sich seit dem Stu­di­um an der Kölner Kunsthoch­schu­le für Medien (KHM), wo sie schon zusammengearbeitet haben, vor allem Lang und Wegener. Ihre Debütfilme nach dem Studium haben sie mit anderen Produktionsfirmen umgesetzt: Mareike Wegener ihr Porträt »Mark Lombardi — Kunst und Konspiration«, Hannes Lang seine Doku »Peak — Über allen Gipfeln« und Carmen Losmann ihren Einblick in die moderene Arbeitswelt »Work Hard Play Hard«, die mit dem Grim­me-Preis ausgezeichnet wurde.
»Wenn man seine Projekte selbst entwickelt und von der Idee bis zum Schnitt begleitet, dann vergeht sehr viel Zeit und man hat nicht so wahnsinnig viele Einkünf­te, die man nebenher generieren kann«, sagt Mareike Wegener. Deshalb haben haben die drei sich zusammengetan. Ihr Ziel: Immer ein Projekt in der Produktion haben, denn nur in dieser Phase verdienen sie Geld. An der Umsetzung beteiligen sie sich gegenseitig. »So haben wir Einkünfte, ohne die Konzentration von unseren Projekten wegzu­nehmen«, sagt Wegener. Jeder arbeite gleichzeitig an etwa drei Filmprojekten in verschiedenen Entwicklungsstadien.

 


Während des Studiums seien sie nicht auf ein bestimmtes Fach wie Regie festgelegt gewesen und hätten sich um Organisation, Drehplanung, Förderungen und Abrechnungen selbst gekümmert, sagen Wegener und Lang. Da war der Schritt zur eigenen Produktionsfirma nicht so groß.

 


Außerdem wollten sie als Filmschaffende möglichst viel bestimmen: vom Inhalt über die Art der Umsetzung, den Zeitpunkt der Einreichung, die Auswahl der Mitarbeiter, den Einsatz der Mittel bis hin zu Schnitt und Premiere. Ganz autark seien sie aber nicht, schränkt Wegener ein, schließlich arbeiteten sie mit Fernsehredaktionen und Förderern zusammen und wollten, dass ihre Filme auf Festivals liefen. »Das verursacht Abhängigkeitsverhältnisse«, so Wegener. »Und vor allem viel Arbeit mit der Bürokratie.« Häufig seien mehrere Geldgeber beteiligt, jeder mit anderen Vorgaben. Von drei Jahren, die sie mit der Herstellung eines Films beschäftigt seien, verbrächten sie mindestens ein Jahr mit Papierkram: Anträge ausfüllen, Kalkulationen erstellen, Verträge aufsetzen.

 


Ein wenig betriebswirtschaftliches Knowhow hätten sie zum Start ihrer GmbH im Kölner Mediengründerzentrum erhalten, aber das meis­te selbst herausfinden müssen. »Für die Berufspraxis als Produzenten haben wir uns Mentoren aus der Filmwirtschaft gesucht«, sagt Wegener. »Und die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, sind meist erfahrene Profis.«
Ein gemeinsames ästhetisches Konzept gebe es nicht, sagen sie. Zuerst komme die Idee, dann schaue jeder, welche Art der Umsetzung dazu passe. Wegener arbeitet gerade an einem Spielfilm und an einem Dokumentarfilm. Lang entwickelt einen Spielfilm mit Laiendarstellern. Von Schubladen halten sie nichts: Warum Filme nur nach klassischem Muster erzählen? Warum für einen Dokumentarfilm weniger Geld ausgeben als für einen Spielfilm?

 


»Besonders herausfordernd ist die Anfangsphase eines Projekts«, sagt Wegener. »Man muss über weite Strecken daran arbeiten, ohne zu wis­sen, ob es realisiert wird.« Ihr hel­fe, dass sie sich bei Petrolio ge­­gen­seitig motivieren könnten. Die unter­­nehmerische Unsicherheit sei groß, im Vergleich zur vielen Arbeit, sei der Verdienst eher gering. Aber das Unternehmen trage sich, sie könnten davon leben. »Vor allem ha­ben wir uns mit Petrolio die Infra­struk­tur geschaffen, die wir brauchen, um unsere Filme zu realisieren.«

 


Die Kurzfilmtage in Oberhausen sind ein wichtiger Termin für die drei. Mareike Wegener sitzt in der Jury des internationalen Wettbewerbs, sie schwärmt von den Beiträ­gen. Lang und Wegener freu­en sich auf Gespräche mit anderen Filmschaffenden, und sie sind aufgeregt, »RIAFN« der deutschen Öffentlichkeit zu zeigen. Festivalteilnahmen sind seien eine »bittersüße Erfahrung«, sagt Wegener. »Einerseits ist da die Freude, ein fertiges Projekt präsentieren und diskutieren zu dürfen, andererseits die Ungewissheit, ob, wie und wann das wieder gelingen kann.«

 

Infos: kurzfilmtage.de