Mark Z. Danielewski: Das Haus

Johnny Truant dachte im Traum nicht daran, je das Vorwort eines Buches zu verfassen. Er war scharf auf Sexabenteuer und arbeitete in einem Tattoo-Shop. Dass er das Textkonvolut eines blinden Greises namens Zampanò mit zahlreichen Anmerkungen versehen würde – undenkbar. Doch als die Notizen Zampanòs nach dessen Tod ausgerechnet in seine Hände fallen, verwandeln sich alle Vorzeichen seines Lebens.

Durch Johnnys Anmerkungen haben wir es bei diesem vielfach verschachtelten Text mit (mindestens) zwei fingierten »Autoren« zu tun. Dazu hatte Zampanò seine Erzählung über den Film »Navidson Record« mit Zitaten zwischen Mythos und Wissenschaft sowie Fußnoten aus echten und geflunkerten Quellen versehen. Der »Navidson Record«, der den Blinden so nachhaltig beschäftigte, führt die Erlebnisse der Familie des Fotografen Will Navidson vor. Der hatte den Alltag mit Ehefrau und Kindern im jüngst bezogenen Haus dokumentieren wollen, aber schon bald tauchen in dem Gebäude Räume und Flure auf, voller Leere (sic!), Kälte und Finsternis. Navidson rekrutiert ein Team, das die unheimlichen Fluchten erkunden soll. Es steht vor dem Phänomen, dass das Haus innen größer ist als außen – eine neue Dimension, die Erklärungsversuche provoziert.

Navidsons Perspektiven und Schnitte weisen den Regisseur als ersten »Autor« von Zampanòs Geschichte aus. Aber können wir einem Blinden trauen, der einen Film analysiert? Oder ist gar der ganze Film Teil von Zampanòs Fiktion?

Der leibhaftige Autor dieses Bu­ches spielt mit mehreren Wahr­heiten und heißt Mark Z. Danielewski. Er verschachtelte den »Navidson Record«, »Johnnys Story« und einiges mehr zu einem Roman. Diesen Monat wird er »Das Haus« in Köln vorstellen: ein ebenso einzigartiges wie vielgestaltiges Buch, schon früh schrittweise im Internet verbreitet, in gedruckter Fassung ein (typo-)grafisches Kunstwerk. Obwohl sorgsam komponiert wie die Romane angesehener US-Edelfedern vom Range Pynchons oder Gaddis’, gehört die Handlung ins Genre der Horror-Erzählung. Zwischen Zampanòs eloquentem Diskurs und Johnny Truants privatem Dilemma formt Danielewski ein Labyrinth, von dem die Leser, die es erkunden, noch lange träumen werden.

Info

Buch: Mark Z. Danielewski:
Das Haus. House Of Leaves, aus dem Amerikanischen von Christa Schuencke, Klett Cotta, Stuttgart 2007, 827 S., 29.90

Lesung: Mi 17.10, Literaturhaus Köln, Schönhauserstr. 8, 20 Uhr