Jay Chung & Q Takeki Maeda, Untitled (from the exhibition Dull and Bathos), 2015, 16mm/HD video, 6:22m , Foto: courtesy the artists/Galerie Francesca Pia

»Lass uns mal drüber reden!«

Jay Chung und Q Takeki Maeda liefern mit »The Auratic Narrative« einen

Ausstellungsstreich für Diskursverliebte

Wir leben in einem Zeitalter, das durch Neo-Konservatismus geprägt ist: Auf diese Prämisse baut die aktuelle Ausstellung des amerikanisch-japanischen Künstlerduos Jay Chung und Q Takeki Maeda im Kölnischen Kunstverein auf und entwickelt daraus einen Parcours, der ihren Auswirkungen auf den aktuellen Kunstbetrieb nachspürt.

 


Jay Chung und Q Takeki Maeda lassen sich dabei von der Erkenntnis leiten, dass unter den heutigen post-materiellen Umständen das Reden oder Schreiben über Kunst für die Einschätzung und den Stellenwert, aber auch den Marktwert künstlerischer Arbeit eine eigenständige Bezugsgröße erlangt hat. Die Aura, die einstmals dem singulären Kunstwerk zufiel, so ihre These, scheint mittlerweile auf den Kommentar, die Besprechung oder den Pressetext übertragen worden zu sein. »The Auratic Narrative« (Die auratische Erzählung) ist der Titel ihrer Ausstellung — darüber könnte man ein kluges Buch oder einen analytischen Essay schreiben, was aber bekommen wir im Kunstverein zu sehen?

 


Vier großformatige Texttafeln, auf allen Etagen des Gebäudes verteilt, bilden die Klammer, die die als Retrospektive angelegte Präsentation des Duos verbindet, das seit 2002, nach Abschluss ihrer Akademiezeit an der Frankfurter Städelschule, gemeinsam den Kunst­betrieb facettenreich auf den Seziertisch legt. Die Ängste, Sorgen und Nöte einer heranwachsenden, Bescheid wissenden jungen Künstler*innengeneration kommen auf besagten Tafeln zur Sprache; Sinn und Bedeutung des Networking werden detailreich verhandelt. »Es geht nicht darum, was du weißt, sondern wen du kennst, lautet eine Binsenweisheit«, ist dort zu lesen. Nach Gegenstrategien wird gesucht: »Wir mussten uns mit den Mitteln der Kunst ausmalen, auf welche Weise Wandel denkbar wäre, und analysieren, inwiefern Kunst in ihrem gegenwärtigen Zustand mitverantwortlich dafür war, diesen Wandel zu verhindern.«

 


Solche Äußerungen wecken gewisse Erwartungen an die materiellen Kunsterzeugnisse der Ausstellung. Wie begegnen sie der mitunter sehr subtilen Situationsbeschreibung? Bei der Betrachtung stellt sich dann doch Ernüchterung ein, denn die Werke wahren vornehmlich Distanz. Vorgeführt wird diese Distanz etwa in einer Serie historischer Fotografien, die ein Kunstenthusiast in den 60er Jahren von allen damals maßgeblichen Kunstereignissen, Vernissagen, aber auch Performances und Happenings in und um Tokyo herum aufnahm, ohne in die Szene der Protagonisten involviert zu sein. Chung und Maeda haben dieses Archiv wiederentdeckt und zeigen uns Beispiele dieser Dokumentaraufnahmen aus zeitlicher und räumlicher Ferne.

 


In den übrigen Arbeiten — Fotoserien, Filme, Audiostücke, Künstlerpublikationen — schließen Chung und Maeda an die Formen­sprache und die Medienreflexion der Concept Art der späten 60er Jahre an. Auch dies ein bewusst rückwärtsgewandter und konservierender Zug, der aber nach wie vor diverse Anschlussmöglich­keiten bietet und einem Inner Circle Befriedigung zu verschaffen vermag — wenngleich nicht zu übersehen ist, dass Chung und Maeda eben diesen Inner Circle auch ein Stück weit vorführen.

 


Dazu passt der Umstand vortrefflich, dass die Ausstellung punktgenau zur Kölner Kunstmesse Art Cologne eröffnete, wo der mitunter selbstgefällige Inner Circle gleich scharenweise anzutreffen und zu bestaunen ist.

 


Zusammengeschweißt wird dieser Kreis durch Vereinbarungen und Referenzen. Auch ein Film des Künstlerduos, der auf zwei Monitoren im Vortragssaal des Kunstvereins läuft, reiht zahlreiche Referenzen aneinander. Zu sehen sind drei Männer verschiedenen Alters beim Tischtennisspiel in einem noblen Garten mit Swimmingpool. Während des Spiels halten sie nonchalant kleine Vorträge über den unabwendbaren Niedergang der konzeptuellen Kunst. Unschwer sind ihre Auslassungen als Zitate zu deuten: Statements aus drei Generationen Konzeptkunst gelangen zur Aufführung. Von Duchamp über Martha Rosler, Christopher Williams zu Willem de Rooij wird alles aufgeboten. Zumeist entstammen die Zitate einem weiteren Film über die Konzeptkunst. Ein Ping-Pong, bei dem man sich gegenseitig die Bälle zuspielt.

 


Das Erlebnis der Kunst muss nicht unbedingt mit der Sprache, die zu ihrer Beschreibung benutzt wird, übereinstimmen. Im Grunde bedeutet dies, dass wir es mit einem Vorrang der Linguistik und Semantik über das Materielle der Kunst zu tun haben. Warum also, so ließe sich als Fazit der Ausstellung fragen, sollten wir uns überhaupt mit der Kunst befassen und nicht in erster Linie mit der Sprache über sie? Für Diskursverliebte ist diese Ausstellung ein Muss, dreht sie doch genüsslich und mit Augenzwinkern an der Diskursschraube bis es knirscht. Alle anderen erhalten erhellende Einblicke in eine sich hermetisch gerierende Welt von Bedeutungszuweisungen.

 


Kölnischer Kunstverein, Hahnenstraße 6, Di–So 11-18 Uhr, bis 23.6.

 

 


Führungen durch die Ausstellung:


Do 6.6., 17 Uhr mit Direktorin Nikola Dietrich / So 23.6., 15 Uhr mit Jasmin Werner Double-Book-Launch mit Jay Chung und Q Takeki Maeda (»Letters« und »Jay Chung and Q Takeki Maeda x Teruo Nishiyama«), Di 4.6., 19 Uhr.

Filmvorführung der Regisseure Lev Kalman und Whitney Horn, Do 6.6., 19 Uhr