»High Life«

 

Claire Denis schickt Robert Pattinson auf eine aussichtslose Raummission

Claire Denis hat im Alter von über siebzig Jahren ihren ersten englischsprachigen Film gedreht — und ihren ersten Science-Fiction. Dennoch entfernt sich die Französin, zuletzt 2017 mit »Meine schöne innere Sonne« in den deutschen Kinos vertreten, kaum vom Kern ihres Werks. Sie reduziert ihre Figuren auf das Existenzielle, zerteilt sie in zahllosen Nahaufnahmen in gemarterte, vernarbte Körperteile. Das widerfährt selbst einem Star wie Robert Pattinson, der den letzten Überlebenden einer Gruppe von Kriminellen spielt, die einst die Wahl hatten: Todestrakt auf der Erde oder Versuchskaninchen im All. In langen Rückblenden erzählt Denis von der aussichtslosen Mission der Strafgefangenen auf der Suche nach neuen Energiequellen außerhalb des Sonnensystems, für die die Erde keinen Sehnsuchtsort mehr darstellt. Höchstens Erinnerungsfetzen binden die Figuren noch an ihren Heimatplaneten, der in einigen wenigen Szenen trostlos, im besten Falle nichtssagend erscheint.

 


An Bord trifft Lebenswille — Juliette Binoche spielt eine von der Fantasie der Fortpflanzung im All besessene Ärztin — auf Zerstörungstrieb. Die meisten Mitreisenden sind einander feindlich gesinnt. Darunter: Lars Eidinger, der ein paar ebenso kurze wie kuriose Auftritte hat — seine Nebenrollen in französischen Autorenfilmen wirken mittlerweile wie ein groß angelegter Running Gag. Es geht grotesk und oft ausgesprochen hässlich zu an Bord. Denis scheut sich nicht, sämtliche Körperflüssigkeiten fließen zu lassen.

 


Für einen Film über eine Space-Mission ist die Ausstattung spartanisch, das Raumschiff sieht aus, als hätte jemand die Gänge eines stillgelegten Ostblock-Krankenhauses mit Matratzen ausgekleidet (siehe auch S. 72). Dieser Look stellt aber die Ernsthaftigkeit von »High Life« niemals in Frage, etabliert vielmehr einen Minimalismus, mit dem Denis den größtmöglichen Effekt erzielt. Mit einer präzisen Lichtsetzung in warmen Gelb- und kalten Blautönen, in Rot und stechendem Violett verleiht sie den Räumen Tiefe. Mit satten, kontrasteichen Aufnahmen der Gemüsebeete an Bord oder Aufnahmen antiquierter Weltraumtechnik erinnert sie optisch an andere Science-Fiction-Filme — von »Solaris« und »Lautlos im Weltraum« (beide 1972) bis hin zu jüngeren Filmen wie »Der Marsianer« (2015). Denis muss diese Register nicht einmal ganz ziehen. Es reicht ihr, sie anzustupsen. Damit gibt sie genügend Anregung, um die Gedanken auf Reisen gehen zu lassen.

 


High Life (dto) D/F/GB 2018, R: Claire Denis, D: Robert Pattinson, Mia Goth, Juliette Binoche, 113 Min. Start: 30.5.