»Mirai — Das Mädchen aus der Zukunft«

 

Hosoda Mamoru erzählt so fantastisch wie realitätsnah von den Lernprozessen eines Jungen

 

Bis zum Alter von vier Jahren ist der Junge Kun das Ein und Alles seiner Eltern — doch dann wird seine Mutter erneut schwanger. Die Familie bekommt Zuwachs, das Mädchen Mirai, um das sich von nun an scheinbar alles dreht. Kun fühlt sich verstoßen und ungeliebt — und lässt seiner Wut darüber freien Lauf. Eines Tages trifft er im Garten einen merkwürdigen Mann, der darüber klagt, dass sich niemand mehr um ihn kümmere. Nach einer Weile stellt sich heraus, dass es sich dabei um Yukko handelt, den Familienhund, der menschliche Gestalt angenommen hat. Das ist aber nur der Anfang: Kun wird weitere seltsame Besucher haben, Zeitreisende, ­darunter seine Schwester, wie sie in der Zukunft sein wird oder sein könnte, und seinen noch jungen Großvater.

 


Anime-Meister Hosoda Mamoru konnte sich im vergangenen Jahrzehnt auch international etablieren, als jemand, dem es stets mühelos gelingt, fantastische Stoffe mit einem erstaunlichen Realismus zu erzählen. Dieser Wille zur Wirklich­keitsnähe zeigt sich in »Mirai« unter anderem darin, dass er das Familien­haus von Star-Architekt Tanijiri Makoto gestalten ließ und einen für die Geschichte wichtigen Zug von Shima Hideo, einem der Ingen­ieure, die den japanischen Hoch­geschwin­digkeitszug Shinkansen entwickelten. Details, die man spürt.

 


»Mirai« ist dabei kleiner und intimer als Hosodas letzte Filme, »Der Junge und das Biest« (2015) und »Ame und Yuki« (2012). Er erinnert eher an frühere Werke wie »Das Mädchen, das durch die Zeit sprang« (2006) und »Summer Wars« (2009), auch wenn er noch einen Tick didaktischer geworden ist als je zuvor. Das zeigt sich darin, wie Kun Schritt für Schritt lernt, dass die Welt sich nicht nur um ihn dreht, dass es eine — biografische und nationale — Geschichte gibt, die Spuren hinterlassen hat, dass es eine Zukunft gibt, deren Vergangenheit immer die jeweilige Gegenwart ist, Augenblick für Augenblick. Das wichtigste aber ist, dass Kun lernt, dass man sich auf fremde Sichtweisen einlassen muss, weshalb am Anfang des Lernprozesses Kuns Verwandlung in den Haushund steht.

 


Hosoda erzählt von sehr komplizierten Dingen auf eine einfache, jedoch nie vereinfachende Weise, mit Bildern und Klängen, die nahegehen, ohne sich je aufzudrängen oder anzubiedern. Das ist Kino in allerhöchster Vollendung.

 


Mirai — Das Mädchen aus der Zukunft (Mirai no Mirai) J 2018, R: Hosoda Mamoru. Start: 28.5.