Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen

 

Jadu Jude klagt ebenso furios wie intelligent Geschichtsvergessenheit und Populismus an

Um nicht drumherum zu reden: »Mir ist es egal, wenn wir als Barba­ren in die Geschichte eingehen« ist so lang, sperrig und kompromisslos wie sein Titel. Regisseur und Drehbuchautor Radu Jude warnte vor der Weltpremiere seines Werks beim letztjährigen Filmfestival von Karlovy Vary lakonisch, die Mitte sei etwas langweilig geraten, aber dafür der Schluss um so gelungener. Am Ende gewann er trotz der Warnung den Hauptpreis dieses wichtigsten Festivals in Osteuropa. Und das verdientermaßen.

 


Jude verlangt vom Zuschauer zunächst Geduld, doch die wird reichlich belohnt. Die erste Einstellung von »Mir ist es egal …« hält lange auf einen Fernseher, in dem eine deutsche Wochenschau aus dem Zweiten Weltkrieg läuft: Rumänische Soldaten hauen in Odessa einen kommunistischen Stern von einem Gebäude und hissen stattdessen die eigene Flagge. In der nächsten Einstellung folgt eine wackelige Handkamera einer jungen Frau, die in der Gegenwart ein Casting in einem Militärmuseum durchführt.

 


Nach und nach stellt sich heraus, dass sie Regisseurin ist. Mitten in Bukarest plant sie eine Open-Air-­Performance, die an populäre Ree­nactments historischer Schlachten angelehnt ist. Konkret geht es um die Schlacht um Odessa 1941, in der rumänische Soldaten als Verbündete der deutschen Wehrmacht die Stadt eroberten und ein Massaker an der jüdischen Bevölkerung verübten. Die engagierte Regisseurin will mit ihrem Stück ein Bewusst­sein schaffen für die Mitverantwortung Rumäniens am Holocaust. Da­bei stößt sie überall auf Widerstand in einer Gesellschaft, die sich selbst als Opfer des Nationalsozialismus und des Kommunismus sieht.

 


Doch Judes Film geht nicht nur Rumänen an. In den Diskussionen, die die Regisseurin im Film führt, wird das ganze Arsenal von Leugnungen, Relativierungen, Ablenkungen und Zynismen virtuos durchgespielt, das nicht nur von Populisten immer wieder genutzt wird, wenn es darum geht, sich die negativen Seiten der eigenen Vergangenheit fernzuhalten. »Mir ist es egal …« ist ein Film zur Zeit, der nach einem verwirrenden Anfang Fahrt aufnimmt und trotz seiner Dialoglastigkeit gegen Ende packend wird wie ein Thriller. Was nicht zuletzt auch an einer engagierten Performance der charismatischen Hauptdarstellerin Ioana Teodora Iacob liegt.

 


Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen (Îmi este indiferent daca în istorie vom intra ca barbari) RUM/BUL/D/F/CS 2018, R: Radu Jude, D: Ioana Teodora Iacob, Alexandru Dabija, Alexandru Bogdan, 140 Min. Start: 30.5.