»Gefährliche Stadt« Köln

 

Das »Impulse Festival« widmet sich in einem Stadtprojekt

der Dramatisierung von Angst

Das Impulse Festival begibt sich beim Stadtprojekt Köln auf öffentlichen Plätzen auf die Suche nach Angsträumen. Es geht um Drogenszenen, Straßensexarbeit, den Islam und nichtweiße Männer. Anhand der vier Themenkomplexe werden Ängste vor realen und vermeintlichen Gefahren auf ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben in der Stadt untersucht.
Ein Gespräch mit Wilma Renfordt, Dramaturgin des Teams »Angstraum Köln«.

 

 

 

 

 

Bei jeder Impulse-Ausgabe gibt es Schwerpunkte, einer davon ist ein Stadtprojekt, das in einer der drei Festivalstädte stattfindet — diesmal in Köln, wo wir in Kooperation mit der Studiobühne nach einer langen Recherche ein Projekt erarbeitet haben, das brennende Fragen der Zeit aus einer spezifisch lokalen Perspektive befragt.

 

 


Die Erzeugung und Instrumentalisie­rung von Angst erlebt weltweit eine traurige Hochkonjunktur. Was ist der lokale Aspekt bei eurem Projekt?

 

Ich nenne mal stellvertretend zwei Aspekte: Seit der Silvesternacht 2015/16 und den Ereignissen im und um den Hauptbahnhof gilt Köln in der äußeren Wahrnehmung als »Gefährliche Stadt«. Gleichzeitig fokussiert die DITIB-Zentralmoschee in Köln die Islam-Debatte vielleicht stärker als in anderen Städten.

 

 



Welche Künstler sind beteiligt?

 

Wir haben Künstler*innen ausgewählt, die alle Erfahrungen in den jeweiligen Themenfeldern haben und die bei ihren künstlerischen Arbeiten darauf wert legen, direkt in den Kontakt mit dem Umfeld, in dem sie arbeiten, zu treten.  

 

 


Wie sieht das im Einzelnen aus?

 

Etwa bei dem Thema Straßenprostitution? Natalie Assmann, Rana Farahani und Niloufar Taghizadeh werden sich bei dem Thema mit den Verdrängungsprozessen beschäftigen. Köln war die erste deutsche Stadt, die sogenannte Verrichtungsboxen nach niederländischem Vorbild installiert hat, eine Sicherheitsarchitektur für Sexarbeiter*innen. Die Künstlerinnen begeben sich auf die Spuren des historischen Straßenstrichs im Eigelstein-Viertel — die zeigen sich noch im Straßenverlauf, wie bei den Sperr-Pöllern in der Clever Straße, die damals eingerichtet wurden, um zu verhindern, dass die Freier ständig in den Straßen im Kreis herumfuhren. Sie werden eine Autofahrt inszenieren, die unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen lässt und zeigen, welche und wessen Ängste mit dem Straßenstrich eigentlich verschwunden sind.    

 

 



Und wie bei »Sie spritzt, Er spritzt« am Neumarkt?

 

Auch bei der Arbeit von Alexandra Berlinger und Martin Wagner am Neumarkt als Kölns wichtigstem Drogenumschlagplatz geht es darum, wie auf ein Problem mit Verdrängungsmechanismen reagiert wird. Mit dem Aufstellen von Holzboxen und anderen baulichen Maßnahmen wurden versteckte Konsumorte für die Drogen­abhängigen unzugänglich gemacht, auch um die Interessen der Anwohner zu wahren. Indem die Nachbildung einer solchen Holzbox von den Künstler*innen auf dem Neumarkt an wechselnden Standorten platziert wird, sollen diese Verdrängungsmechanismen offengelegt werdem. Es gibt eine Lichtinstallation, auf der der Schriftzug »Sie spritzt, er spritzt« steht. Das greift die berühmte Kölsch-Reklame mit dem Schriftzug »Er trinkt, sie trinkt« auf und dreht sie ein Stück weiter.

 

 



Wie wird »Blind Date Islam« ablaufen?

 

Hier ist es der Regisseurin Antje Schupp besonders wichtig, dass Muslime und Nicht-Muslime nicht übereinander, sondern miteinander reden, dass auf beiden Seiten Raum ist, Ängste und Neugier zu formulieren. Bei Begegnungen unter vier Augen soll ein intimer Rahmen für einen offenen Dialog geschaffen werden. Und dann gilt es unter der Vielfalt der unterschiedlichen Richtungen im Islam herauszufinden, ob die vielleicht ihr Typ ist.

 

 


Was erwartet den Zuschauer bei »Sexismus, Rassismus und Nationalismus. Eine Probe«?

 

Das Projekt von Julian Warner und Oliver Zahn ist angesichts des Themas »Silvesternacht« besonders brisant. Die damalige Debatte hat schnell einen rassistischen Tonfall angeschlagen und die dringend notwendige Diskussion über sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den Hintergrund gedrängt. Julian Warner und Oliver Zahn versuchen bei zwei Proben im Inneren Grüngürtel und einer Kundgebung am Hauptbahnhof die Diskurse und Mechanismen offenzulegen, die dazu geführt haben, dass bestimmte Themen sehr schnell ausgeblendet und andere extrem bedeutend wurden: Schauspieler*innen werden historische Reden zu Frauenrechten, sexualisierter Gewalt, Zuwanderung und Rassismus halten und sichtbar machen, in welcher Tradition diese medialen Erzählungen stehen.

 

 



Ihr sprecht im Programmheft davon, dass das Theater zu einer Entdramatisierung der Debatte beitragen kann? Was ist darunter zu verstehen?

 

Bei allen vier Themenfeldern gibt es keine einfachen Antworten und sehr unterschiedliche Interessen. Es geht erst mal darum die unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen. Man sollte versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen und nicht vorschnell dramatische Erzählmuster darüber legen. Nicht plakativ zu verkürzen oder fesselnd zu berichten, um Aufmerksamkeit zu generieren. Das war eigentlich Aufgabe des Theaters und der Kunst, wird aber jetzt von Teilen der Presse und Populist*innen übernommen.