Geht’s mit Henriette Reker rauf oder runter? Die Grünen grübeln, wen sie für die OB-Wahl nominieren sollen

Grüne suchen Grüne

In der Frage, ob sie im Wahlkampf noch mal OB Reker unterstützen, sind die Grünen gespalten

 

Tagsüber enthüllt sie eine kölsche Heinzelmännchen-Statue neben einem Denkmal für Roy Black, abends besucht sie mit einigen C-Promis eine Gala im Casino. Nach Spaß klingt es nicht, was Oberbürgermeisterin Henriette Reker Anfang Juli beim »Köln-Kärtner Wirtschaftsdialog« in Velden am Wörthersee auf sich nahm. Noch bevor Reker nach Köln zurückgekehrt war, stand sie in der Boulevardpresse am Pranger. Jörg Frank von den Grünen im Rat nannte die Veranstaltung in der Bild-Zeitung »ein traditionelles Klüngeltreffen kölscher Geschäftemacher«. Im Rathaus wurde Reker  dafür kritisiert, dass sie eine Sitzung des Stadtwerke-Aufsichtsrats schwänzte.

Rekers Verrenkungen zeigen, dass Reker dieser Tage überall um Unterstützung buhlt. Noch immer ist unklar, ob sie im Herbst 2020 erneut für das Amt der Oberbürgermeisterin kandidieren wird. Eigentlich hatte Reker ihre Entscheidung längst bekanntgeben wollen. Doch die parteilose OB ziert sich. Sie muss sich zunächst ihrer Unterstützer aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vergewissern.

Auf politischem Parkett kämpft Reker vor allem um den Rückhalt der Grünen. Seit die bei der Europawahl im Mai fast 33 Prozent der Stimmen in Köln holten, gelten sie als kommunalpolitisches Schwergewicht. Zwar haben die Kölner Grünen sich Ende Juni in einer Mitgliederversammlung mehrheitlich dafür ausgesprochen, Sondierungsgespräche mit Reker aufzunehmen. Doch längst nicht alle Grüne stehen hinter Reker. Ein Änderungsantrag der Grünen Jugend mit der Forderung, auch nach einer Alternative zu Reker suchen, scheiterte nur knapp. Man habe sich schon vor der Europawahl dafür ausgesprochen, »dass sich unsere Partei auch auf die Suche nach einer eigenen Kandidatin oder einem eigenen Kandidaten macht«, sagt Anna Kipp, Sprecherin der Grünen Jugend Köln. »Frau Reker ist teilgrün, aber sie hat kein klar grünes Profil. Wir haben aber den Anspruch, progressive Politik zu machen.«

Die Jugendorganisation der Partei spricht aus, was viele in Partei und Fraktion denken: Reker steht bei grünen Themen zu oft auf der Bremse. Große Erfolge auf ihren wichtigsten Politikfeldern können die Grünen nach vier Jahren »Reker-Bündnis« kaum vorweisen. Stattdessen lässt Reker die CDU-nahe Verkehrsdezernentin Andrea Blome für einen Tunnel auf der Ost-West-Achse eintreten oder Reker lässt Stadtdirektor Stephan Keller (CDU) sehr viel Zeit, das desaströse Rettungshubschrauber-Projekt auf dem Kalkberg aufzugeben — jeweils zum Unmut der grünen Ratsfraktion. Bei den Verhandlungen bahnt sich ein Machtkampf an. Die Grünen wollen Reker auf mehr grüne Ziele verpflichten, aber Reker wird sich nicht bevormunden lassen wollen. Als erste Frau im Amt, zumal parteipolitisch unabhängig, darf sie sich großer Zustimmung gewiss sein. Sie weiß die CDU schon hinter sich, und mit ihr potente Geldgeber für einen Wahlkampf, bei dem womöglich eine Zustimmung von bloß 25 Prozent der Wählerinnen und Wähler reichen könnte. Die Stichwahl bei OB-Wahlen ist in Nordrhein-Westfalen abgeschafft worden.

Kommen Reker und Grüne nicht zusammen, bräuchten die Grünen jemanden, die oder der als OB eindeutig für grüne Themen steht. Die Kölner Landtags- und Bundestagsabgeordneten zeigen kein Interesse, sie fühlen sich ihren derzeitigen Aufgaben verpflichtet. Während sich die SPD derzeit auf die Wohnungspolitik konzentriert, bieten sich für die Grünen die Themen Verkehr und Klimaschutz an. Kaum jemand vertritt gerade diese Themen derzeit so vehement wie einer, der gar kein grünes Parteibuch hat: Kölns Umweltdezernent Harald Rau. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er noch für einen Eklat gesorgt, als er laut über eine City-Maut nachdachte. Reker erteilte ihm einen öffentlichen Rüffel. Heute finden Raus Pläne immer mehr Zustimmung, nicht nur bei Grünen. Sein Makel: Er hatte sich Ende 2018 als OB-Kandidat in Offenburg beworben und verloren. Allerdings: Wenn die Grünen sich ohnehin von Reker trennen, könnte Rau seinen Fluchtversuch damit erklären, dass er unter Reker progressive Ideen nicht habe umsetzen können.