Foto: Manfred Wegener

Eine historische Anschrift

»Die Kinder sind hier auf einem Präsentierteller«, sagt Abraham Lehrer auf dem Außengelände des Jüdischen Wohlfahrtszentrums an der Ehrenfelder Ottostraße. Das Areal dient rund 150 Kindern als Pausenhof der Grundschule und Spielplatz der Kindertagesstätte. Bisher trenn­ten nur ein Gartenzaun und eine Behelfskonstruktion aus schwarzen Zeltplanen das Gelände von der Straße ab. Beides bot nicht genügend Schutz vor eventuellen Anschlägen. »Die Kinder zu schützen, ist aber eine Selbstverständlichkeit und der ausdrückliche Wunsch der Eltern«, erklärt Abraham Lehrer, der als Vorstandsmitglied der Kölner Synagogen-Gemeinde für Sicherheitsfragen zuständig ist. Nun wird hier eine rund zwei Meter hohe Mauer aus Spezialbeton errichtet.

Die Ottostraße 85 ist eine historische Anschrift. Unter dieser Adresse fand man seit 1908 das »Israelitische Asyl«, ein Krankenhaus und Altenheim mit einem exzellenten Ruf, das allen Konfessionen offenstand. 1942 räumten Gestapo und SS die Anlage, die Alten und Kranken wurden deportiert. Hier an der Ottostraße hatte die jüdische Gemeinde 1945 dann ihren ersten Sitz, der in den 50er Jahren in die Syna­goge an der Roonstraße verlegt wurde. Nahezu vierzig Jahre lang wurde das ehemalige Krankenhaus daraufhin als Kaserne der belgischen Armee genutzt, die 1995 abzog.

Nun sollten die Gebäude verkauft werden – die jüdische Gemeinde, die gewachsen war und mehr Platz benötigte, bewarb sich und konnte zumindest einen Teil der Gebäude erwerben. So kommt es, dass sie seit 2004 wieder dem ursprünglichen Zweck dienen und jüdische Wohlfahrts-einrichtungen beherbergen. In dem hellen, großzügigen Bau – der historische Bestand ist durch moderne Anbauten ergänzt – sind neben der Kindertagesstätte und der Grundschule ein Pflegeheim und eine Synagoge untergebracht.

Ein ausreichender Schutz ist bei jüdischen Einrichtungen in Deutschland Standard – es gelten strenge Vorschriften, die konkreten Sicherheitskonzepte entwickeln die Polizeibehörden. »Das hat nichts damit zu tun, dass wir uns abschotten wollen«, betont Lehrer. 15.000 Besucher pro Jahr verzeichnet die Kölner Synagogen-Gemeinde, hier in Ehrenfeld hat die Gemeinde nach der Eröffnung einen »Tag der Nachbarschaft« organisiert, der große Resonanz fand.
Wenn die Mauer fertiggestellt ist, soll ein solcher Tag wiederholt werden. Dann kann auch der Nachbar mal vorbeischauen, der sich beim Bauamt über die Mauer beschwert hat.