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Widerspruch ade

Bürgern, die gegen städtische Bescheide vorgehen möchten, bleibt nur noch der Klageweg

Es klingt wie ein Zauberwort: Bürokratieabbau. »Aber das Gegenteil ist der Fall. Das ist eine klassische Mogelpackung«, erklärt Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD). Am 1. November ist das von der Landesregierung verabschiedete »Bürokratie-abbaugesetz II« in Kraft getreten. Damit gehört das bisherige Widerspruchsverfahren der Vergangenheit an: Zuvor konnten Bürger gegen eine Vielzahl städtischer Bescheide schriftlich Einspruch einlegen – kostenlos und unkompliziert. Fehlerhafte Abwassergebühren, falsche Gewerbesteuer oder zu hohe Zweitwohnsteuer – wer sich ungerecht behandelt fühlt, muss jetzt vor dem Verwaltungsgericht klagen. Die Landesregierung sieht darin eine schnellere Rechtssicherheit für den Bürger.

Kritiker halten dagegen, dass ein effizientes Kontrollinstrument verloren gehe. Jedes Jahr verschickt die Stadt rund 330.000 Bescheide. Allein im Kassen- und Steueramt gingen im vergangenen Jahr 11.300 Widersprüche ein, 7775 führten zu einer Korrektur. »Das Gesetz geht eindeutig zu Lasten der Bürger«, sagt Kahlen. Auch in finanzieller Hinsicht: Bei einem Streitwert bis 300 Euro sind Gerichtskosten von 75 Euro fällig, bei 2000 Euro sind es bereits 219 Euro. Mögliche Anwalts-kosten lassen die Prozessgebühren zusätzlich steigen. Nur wenn das Gericht zugunsten des Bürgers entscheidet, bekommt er die Auslagen zurückerstattet. Barbara Moritz, Fraktionschefin der Grünen, erkennt darin eine erhebliche Hürde. »Vielen Bürgern ist die Ungewissheit zu groß. Anstatt vor Gericht zu ziehen, schlucken sie ihre Bedenken. Das ist keine Demokratie.«

Ob das Bürokratieabbauge­­setz II tatsächlich zu schnelleren Entscheidungen führt, bleibt fraglich. Das Verwaltungsgericht Köln rechnet laut dem Vorsitzenden Richter Klaus-Peter Uhlenberg mit einem deutlichen Anstieg der Prozesse. Auch bei der Stadtverwaltung, der das Gesetz ja eigentlich nützen soll, ruft es wenig Freude hervor. Um eine mögliche Klageflut aufzufangen, möchte die Stadt die Kommunikation mit dem Bürger intensivieren. Kahlen: »In vielen Fällen können Unstimmigkeiten geklärt werden, bevor Bescheide raus-geschickt werden.« Gerade im Kassen- und Steueramt ergebe sich die hohe Fehlerquote daraus, dass Änderungen über Eigentumsverhältnisse der Kommune oft erst verspätet mitgeteilt werden. So werde aktuell die Einführung von Vorbescheiden geprüft, sagt Kahlen. Das bedeutet nach Ansicht des Stadtdirektors allerdings eine Menge an Mehrarbeit – also das Gegenteil von Entlastung. »Ich plane mit dreißig bis sechzig neuen Stellen.« So bleibt Bürokratieabbau wohl doch nur ein Zauberwort.

Info
Das Gesetz bezieht sich nicht auf sozialrechtliche Fragen, von Schulen erlassene Verwal­tungsakte und Bafög-Fälle, Rundfunkgebühren­bescheide sowie Bußgelder
im Straßenverkehr.