Foto: Manfred Wegener

»Den geistigen Humus nutzen«

Das Architektur Forum Rheinland hat eine Chronik der Kölner

Stadtbaumeister herausgegeben. Bernd Wilberg sprach mit

Geschäftsführer Jörg Beste.

StadtRevue: Herr Beste, die Vortragsreihe über Kölner Stadtbaumeister, aus der das Buch hervorgegangen ist, war sehr gut besucht. Wo­her kommt das Interesse der Bürger?

Jörg Beste: Es gibt natürlich Bürger, die sich nur dann melden, wenn hinter ihnen auf dem Acker neue Häuser gebaut werden sollen. Oft heißt es: Ja, es soll gebaut werden – eine Moschee, eine Forensik, eine Müllverbrennungsanlage – aber nicht bei mir im Viertel. Aber es gibt eben auch ein großes Spektrum von Leuten, die sich grundsätzlich für die Stadt interessieren. Das hat auch mit der hohen Identifikation der Kölner mit ihrer Stadt zu tun. Und dann gibt es hier das Haus der Architektur, die Fachhochschule, den Bund Deutscher Architekten, das Architektur Forum Rheinland... Köln hat eine lebendige Diskussionsszene.

Welchen Beitrag kann das Stadtbaumeister-Buch dazu leisten?

Unser Buch zeigt, was mit kraftvollem Engagement und Ideen angeregt und umgesetzt werden kann. Dem Architektur Forum Rheinland geht es darum, die alten Ideen als geistigen Humus zu nutzen: Wie sind sie damals vorgegangen? Wie hat man es etwa geschafft, den Äußeren Grüngürtel zu etablieren und aus den Vermarktungsinteressen herauszuhalten?

Und wie hat man es geschafft?

Fritz Schumacher war ein visionä­rer Stadtplaner und Konrad Ade­nauer auf seine Art ein radikaler Politiker. Adenauer hat es damals im Ringen mit den Landesherren in Berlin geschafft, die Flächen in städtischen Besitz zu bringen und freizuhalten. Natürlich mit einigen Winkelzügen, aber schließlich sind so diese Qualitäten für Köln entstanden.

Muss ein Stadtbaumeister autoritär sein?

Man braucht an der Spitze der Stadt Leute, die einen Anspruch haben. Und die Ideen auch umsetzen können. Man kann aber eine Stadt nicht gegen den Strich bürsten. Man muss Strömungen, die vorhanden sind, aufnehmen und so lenken, dass etwas Besseres entsteht. Nicht alle demokratischen Entscheidungen sind in der Stadtplanung gut. Wenn man über die Farbe der Pflastersteine abstimmen lässt, besteht die Gefahr, dass keine gute Lösung herauskommt.

Das Buch erscheint zum rechten Zeitpunkt: In Köln ist der Wunsch nach einem Stadtbaumeister wieder laut geworden. Die Unternehmer haben 500.000 Euro gesammelt und einen »Masterplan Innenstadt« beim Frankfurter Büro Albert Speer in Auftrag gegeben.

Duisburg hat gerade einen Masterplan von Sir Norman Foster entwickelt bekommen. Er stellt große Forderungen an die Stadt: mehr Grün, mehr Wohnen in der Innenstadt und weniger Autoinfrastruktur...

... und dafür muss man einen »Master­plan« in Auftrag geben?

Gut, das ist jetzt nicht wirklich revolutionär. Aber man braucht jemanden wie Sir Norman Foster, weil diese Ideen nur aus dem Mund eines Großen dazu führen, dass sie von einer Stadt umgesetzt werden. Auch in Köln wird es wichtig sein, dass der Masterplan schließlich auch umgesetzt wird. Natürlich sind die Zeiten vorbei, in denen jemand wie Baron Haussmann eine Stadt wie Paris mit Boulevards neu durchzieht. So können wir nicht mehr arbeiten. Wir brauchen einen Umgang mit demokratischen Strukturen, müssen aber auch darauf achten, dass dabei Qualitäten entwickelt werden.

Derzeit gibt es Kritik an den Planun­gen rund um den Deutzer Bahnhof. Es gab einen Wettbewerb mit drei Siegerentwürfen. Die Verwaltung hat nun einen Mix aus allen dreien vorgelegt. Eine gute Idee?

Nein. So eben funktioniert Planung nicht. Jeder der drei Entwürfe ist stärker als der Kompromiss, der versucht die einzelnen Schwächen zu vermeiden. Wir müssen noch viel darüber lernen, wie man demokratische Strukturen mit autokratischen planerischen Ideen verknüpft. Beim Rhein­boulevard ist das besser gelungen: Die Stadt Köln hat durch einen Arbeitskreis mit externen Beratern ein Verfahren entwickelt, bei dem versucht wurde, die Waage zu halten zwischen Elementen aus Bürgerbeteiligung und planerischem Wettbewerb. Das ist wichtig, um hinterher einen Entwurf mit einer starken, klaren Handschrift zu haben.

Es ist oft zu hören, Köln sei hässlich. Trotzdem fühlen sich die Kölner anscheinend ganz wohl...

Wenn man einem Kölner sagt, seine Stadt sei hässlich, springt er einem ins Genick! (lacht) Das hat mit der starken Identifikation hier zu tun. Es ist interessanterweise so, dass die Lebensqualität auch in hässlichen Städten sehr hoch sein kann. Dann muss die Struktur stimmen und es muss Ausgleiche geben – wenn es etwa den Inneren und Äußeren Grüngürtel und den Rheinpark nicht gäbe, wäre das Leben in den dichten Teilen Kölns mit sehr viel Belastung verbunden. Andererseits entsteht so auch das Prickeln­de, Spannende, Kreative. Zusammen mit einer Laissez-faire-Mentalität bringt das Qualitäten in eine Stadt, die das Leben angenehm machen. (lacht) »Kölle is e Geföhl...« Auch das muss man berücksichtigen, wenn man über die Stadt nachdenkt.

Buchtipp

Architektur Forum Rheinland (Hg.):
Kölner Stadtbaumeister und die Ent­wicklung der städtischen Baubehörden seit 1821, Verlag Kölnisches Stadt­museum, Köln 2007, 288 S., 38 Euro.