Tagebuch eines Romantikers

Roadmovie von Sean Penn

Nach dem Schulabschluss bricht Christopher McCandless (Emile Hirsch) sämtliche Brücken hinter sich ab, um auf den Pfaden der amerikanischen Romantik sich selbst in der Natur zu finden. Er verkauft seinen Wagen, zerschneidet Ausweis und Kreditkarte, spendet das elterliche Studiengeld an eine wohltätige Organisation und verlässt die bürgerliche Welt mit einer Entschlossenheit, in der viel Idealismus und ein wenig Verzweiflung stecken.
Zwei Jahre lang wandert er kreuz und quer durch Nordamerika, findet Freunde und manchmal eine Bleibe, doch immer zieht es ihn weiter fort ins Unbekannte. In den Tiefen Alaskas scheint er am Ziel seiner Träume angekommen: Auf sich allein gestellt stapft er in den endlosen Schnee, ein Einheimischer leiht ihm zum Abschied seine Schuhe. »Bring sie zurück«, sagt er, »wenn du lebend wiederkehrst«.
Die Geschichte von Sean Penns »In die Wildnis« verlängert eine große Tradition amerikanischen Erzählens in die Gegenwart. Im 19. Jahrhundert entdeckten Autoren wie Henry David Thoreau die Wildnis als Zuflucht einer philosophischen Weltflucht, die sich in der stummen Zwiesprache mit der Natur erfüllt. Auch McCandless trägt diese Sehnsucht nach der charakterbildenden Einsamkeit im Herzen, er findet sie bei Thoreau, Emerson und London und wappnet sich mit diesen Vorbildern gegen gutes Zureden und eigene Zweifel. Denn so oft der junge Mann betont, das Glück liege abseits der menschlichen Gesellschaft, so oft scheinen ihn seine wechselnden Wegbegleiter durch ihre Zuneigung und Güte widerlegen zu wollen.
Es sind solche Widersprüche, mit der Sean Penn seine auf Tatsachen beruhende Geschichte vor dem Vorwurf der Naivität bewahrt. Auch Penn bleibt die Zerrisenheit seines Helden nicht verborgen, mal erklärt er ihn zum jugendlichen Heiligen und mal zur tragikomischen Figur. Stilistisch nimmt sich der Regisseur dabei die Freiheiten, die McCandless auf seiner »ästhetischen Reise« in die Wildnis sucht: Die Erzählung springt vor und zurück, Tagebuchnotizen ziehen über die Leinwand, und für McCandless’ Familiengeschichte zaubert Penn eine eigene, leider ziemlich altkluge Erzählerin aus dem Hut.
Man kann in diesem Film vieles für misslungen halten, jedoch nicht die Hingabe des Regisseurs in Zweifel ziehen. In beinahe jeder Einstellung ist zu sehen, wie sehr sich Penn vom energischen Idealismus seines Helden angezogen fühlt, dessen Wegen er auch dann noch mit Sympathie folgt, wenn sie in die Irre führen.

Info
Into the Wild (dto) USA 07, R: Sean Penn, D: Emile Hirsch, Marcia Gay Harden,
William Hurt, 140 Min. Start: 31.1.