Bedeutung ohne Aufwand

Die Premiere von Dea Lohers Stück »Fremdes Haus« musste das Kölner Schauspiel relativ kurzfristig disponieren. Die Nachwuchsregisseurin des Jahres 2007, die 25-jährige Jette Steckel, Tochter des Regiealtmeisters Frank-Patrick Steckel, sollte ursprünglich Feridun Zaimoglus und Günter Senkels neues Stück über sogenannte illegale Einwanderer zur Uraufführung bringen. Doch Steckel lag der Text nicht, sie sagte ab – aufgrund seines Provokationsgehalts, wie zu hören war. Diesen Mut muss man als gehypte Jungregisseuren erst einmal aufbringen.

Steckels Ersatzwahl hatte schwere Kost zur Folge. Dea Loher ist eine Autorin, die versucht, Elemente der Tragödie in die Gegenwart zu überführen. Dabei kommt sie natürlich nicht ohne Pathos aus, die Übertragung wirkt zumindest gewöhnungsbedürftig, auch wenn das Tragische sich zwischen den Figuren und deren Beziehungen vollzieht. »Fremdes Haus« bringt drei Exilanten des Jugoslawienkrieges und deren Anhang in Deutschland zusammen.

Steckel inszeniert das Stück überraschend: lebendig, mit Raum für Humor und Action. Sie gibt ihm das Maß an Psychologie zurück, was Loher ihm zugunsten mythisch aufgeladener Statuarik nimmt. Die Regisseurin hätte aber kaum diese Autorin gewählt, hätte sie nicht auch Sinn fürs Ernste und Wahrhaftige.

Unter den Schauspielern ist dafür vor allem Wolfgang Menardi zuständig, der den Wahrheitsfuror seiner Hauptfigur Jane förmlich aufgesogen zu haben scheint. Immer wieder krümmt sich sein großer, dürrer Körper bis zu seinem hageren Gesicht hinauf in seiner Getriebenheit und fieberhaften Suche nach Aufklärung der dunkel-verworrenen Familien- und Paargeschichten. Das wirkt mitunter sehr gepresst, genauso wie bei Albert Kitzl, der seinem ständig Kernschalen-spuckenden Risto eine zockerhafte Bärbeißigkeit verleiht, die man als Zuschauer fast schon körperlich zu spüren bekommt. Offenbar ein Markenzeichen Kitzls, er hat das schon als Raabe bei »Volpone« zum Besten gegeben.
Steckels Regie überzeugt vor allem durch die verschiedenen Mittel, die sie für ihre Inszenierung zu nutzen und meist auch sicher handzuhaben versteht. Den Abend durchweht etwas Offenes, er ist durchlässig genug, um seine eigene Theaterhaftigkeit spielerisch und zwanglos aufzuzeigen. Steckel fügt mit Balkanpop unterlegte, lässig umgesetzte Zwischenszenen ein, die nicht im Text stehen. Das Publikum soll alles sehen, es sitzt sich auf zwei Tribünen gegenüber, das Spiel findet zumeist dazwischen statt. Theater, das aus dem kleinen Raum der Schlosserei viel rausholt, ohne noch mit der Kulisse Bedeutung zu hubern, das aber doch auch Ernst zu machen versteht.

Und das mit Maja Schöne als Agnes, Janes Sehnsuchtsobjekt, eine sehr überzeugende und verblüffend natürlich wirkende Schauspielerin ins Zentrum des Interesses rückt.

Info
A: Dea Loher, R: Jette Steckel,
Schlosserei, 8., 30.3., 20 Uhr