Foto: Jörn Neumann

Down under am Fernsehturm

Die Rheinland Lions sind amtierender deutscher Meister im Australian Football. Ab April wollen sie ihren Titel ­verteidigen

 

Leise geht es nicht zu an diesem Samstag Nachmittag auf dem Grüngürtel, gleich neben dem Fernsehturm. Schuld daran sind gut zwei Dutzend Jungs, die kreuz und quer über die Wiese sprinten und versuchen, ein windschiefes Leder-Ei möglichst zielgenau durch die Luft zu befördern. Ein paar Spaziergänger bleiben stehen. »Ist das American Football?«, will eine Frau wissen. »Nein, eher Rugby«, vermutet ein Jogger. Sie liegen beide daneben – die Rheinland Lions spielen Australian Football. »Footy«, wie die »Aussies« sagen, ist Nationalsport in Down under. Zwei Teams versuchen, den Ball mit dem Fuß zwischen zwei Torpfosten hindurch zu schießen. »Vom Spielrhythmus her ist es ähnlich wie Fußball, aber mit mehr Körpereinsatz«, erklärt Lions-Kapitän Tom Odenthal.

Von München und Frankfurt über Düsseldorf nach Köln

Doch wie kommt diese uraustralische Sportart nach Köln?
Die Geschichte beginnt 1996 in Frankfurt und München. Ein paar Exil-Australier sehnen sich so sehr nach dem Sport ihrer Heimat, dass sie eigene Teams gründen. 1999 schließt man sich in der Australian Football League Germany (AFLG) zusammen. 2002 trägt die Footy-Begeisterung auch im Rheinland Früchte. Die Lions werden in Düsseldorf gegründet. Seit 2005 ist Köln Trainings- und Spielort.

Coach Rob Cannon kommt aus Melbourne und lebt seit 2005 hier, seiner deutschen Freundin wegen. »Die AFLG ist eine Spaßliga« sagt er, vom Niveau her vergleichbar mit einer Dorfliga in Australien. Dort kommen zum Grand Final bis zu 120.000 Zuschauer. In Köln waren es knapp 300 Schaulustige, die das Finale im September auf der Bezirkssportanlage Bocklemünd verfolgten. Es waren überwiegend Bekannte der Spieler. Immerhin wurden sie Zeugen des größten Triumphs der Vereinsgeschichte: Die Lions besiegten die Munich Kangaroos mit 85:37 und sicherten sich erstmals die deutsche Meisterschaft. Anfang April kommt es beim Saisonauftakt zur Neuauflage des Finales.

Ski-Stöcke als Torpfosten

Mittlerweile ist das Aufwärmen beendet und ein Trainingsspiel steht auf dem Programm. Dabei wird klar: Auch wenn die Kölner amtierender Meister sind und sogar deutsche Nationalspieler in ihren Reihen haben – auf den Luxus, den ihre Kollegen im Fußball genießen, müssen sie verzichten. Der Rasen ist in kata­strophalem Zustand, geduscht wird zu Hause. Bei den Ligaspielen gibt es echte Torpfosten, aber beim Training behilft man sich mit Kunststoffrohren aus dem Baumarkt oder wie heute mit Ski­stöcken.

Es mangelt an Sponsoren – die Teams müssen sowohl Equipment als auch Reisekosten aus eigener Tasche bezahlen. Um die Kosten gering zu halten, übernachten die Spieler bei Auswärtspartien meist privat bei ihren Gegnern. Dadurch kennen sich mittlerweile viele der Kontrahenten und die Begegnungen gleichen fast einem Familientreffen. Auch nach aggressiven Spielen findet daher spätestens beim gemeinsamen Barbecue und Bier die Versöhnung statt. Schließlich will man es sich mit seinem potenziellen Herbergsvater nicht verderben.

Kader mit Australien-Fans wächst

Trotz allem hoffen die Lions, dass ihr Sport in Deutschland eine Zukunft hat. Die Zeichen stehen nicht schlecht: »Als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal beim Training war, waren wir zu viert. Mittlerweile haben wir einen Kader von 40 Leuten« freut sich Odenthal. Neben den deutschen Spielern, die wie er häufig in Australien studiert oder gearbeitet haben, sind Iren, Kanadier und natürlich Australier dabei. Damit auch in Zukunft für Nachwuchs gesorgt ist, wird fleißig an Unis plakatiert, und alle halbwegs sportlichen Freunde müssen irgendwann mal mit zum Training.

Doch auch wenn die Lions den Ligabetrieb durchaus ernst nehmen – der Spaß ist mindestens genauso wichtig. Peter Wiens übernimmt in dieser Saison das Amt des Social Secretary und ist für die Partys nach den Spielen zuständig. Und wie wild die Footy-Spieler zu feiern wissen, zeigt die letzte Grand Final Party. Da dauerte es nur rund 20 Minuten, bis der soeben gewonnene Pokal zu Bruch ging. Die Champions nahmen’s mit Humor, »war eh ein hässliches Teil«, wie Oden­thal feststellt. In dieser Saison müssen die Lions nun wohl einen neuen besorgen. Aber vielleicht dürfen sie den ja wieder behalten – falls er heil bleibt.



Infos

Australian Football, auch »Footy« genannt, ist eine Fußballvariante, die mit einem ovalen Ball auf einem gro­ßen, ovalen Spielfeld mit vier Torpfosten an jedem Ende gespielt wird. Maximal 18 Spieler pro Team sind auf dem Platz erlaubt. Das Ziel des Spiels ist es, durch Schüsse zwischen die Pfosten die meisten Punkte zu erzielen.


5.4., 14 Uhr, unterm Fernsehturm:
erstes Saisonspiel der Rheinland Lions gegen die Munich Kangaroos