Über die Wupper

Oliver Jungen auf romantischen Wegen und einem Schloss, das Burg heißt

Deutsche gehen gerne in den Wald, obwohl da Ameisen sind und Zecken. Zweifellos ist es schön im Wald – für Karnickel. Schöner ist: mitten im Grünen auf die höchste Eisenbahnbrücke Europas (bei Erbauung) bzw. Deutschlands (heute) zu treffen. Zwischen Solingen und Remscheid liegt sie und war einmal Hauptverkehrsader. An diesem Monument des Schienenverkehrs beginnt unsere mit knapp drei Kilometern reichlich kurze Tour: jeder Schluff bewältigt das. Eine Warnung aber: es wird derart romantisch, dass nur vom Umtausch ausgeschlossene Begleitungen eingeladen werden sollten.
Am entzückend funktionslosen Bahnhof Solingen-Schaberg verlassen wir die Regionalbahn. Eine Marmortafel erinnert uns kryptisch an das jüngste hiesige Ereignis: »Unfall am 11.9.1999«. Sowohl Tafel als auch Anwohner, die wir unterwegs treffen, lassen uns über die näheren Umstände des »Unfalls« ratlos zurück. An dieser Stelle könnten wir erzählen, dass wir auf dem Weg ins Herz des Bergischen Landes sind, von wo aus die Herzöge von Berg vom 12. bis zum 14. Jahrhundert ihr Reich regierten. Sollten wir jetzt Klugscheißer genannt werden, verschweigen wir besser, dass die »Messer- und Klingenstadt Solingen« eigentlich ein Konglomerat aus Einzelortschaften ist, die der preußische Staat 1929 zusammenfasste.
Da lockt uns der Zauberpfad, der sich entlang der Bahnstrecke ins Tal der Wupper schlängelt, herüber. An dessen plötzlichen Ende befindet sich eine Art Notausgang aus der Romantik, die dort residierende »Rockdisko EXIT«. Schauen wir aber nach rechts, erhebt sich zum Erschrecken gewaltig die Müngstener Brücke über uns, deren gestreckte Eisenkonstruktion 107 Meter über dem Fluss schwebt. Fährt gerade ein Zug darüber, kommen alle auf die Idee mit der Spielzeugeisenbahn. Für Klugscheißer: Eröffnung als »Kaiser-Wilhelm-Brücke« am 15. Juli 1897, Spannweite 170 Meter. Ein Stück Weges weiter, kurz vor »Elsas Minigolf«, lesen wir das auf einem Stein und suggerieren bescheiden: sag’ ich doch.
Jetzt geht es immer geradeaus, den vergeländerten Weg am Fluss entlang, nach halber Strecke wechseln wir das Wupperufer. Da steht ein bisschen Kram herum, ein Häuschen, ein Biergarten, Wiesenkotten heißt das. Der erste Teil bis hier ist zum Bersten schön, Pärchen sollten langsam gehen und erst nach der Brücke beschleunigen. Jetzt also drüben entlang, bis irgendwann Hucken in Sicht kommen. So nennen sie hier die Fachwerkhäuser. Hucken, Hühner und eine Kirche: prototypische Zivilisation. Und über all dem thront die riesige Burg. Der zugehörige Ort, eigentlich die alte Unterburg, heißt banaler Weise Burg. Die Burg selbst heißt Schloss, aber nicht nur Schloss, sondern allen Ernstes Schloss Burg. Jedenfalls eine echte Burg ist es mit Kerker, Ausblick und Museum, die alte Stammburg derer von Berg.
Da steigen wir hinauf oder – weil wir zwar in den Wald, aber nicht zu den Germanen zurück wollten – wir benutzen die Seilbahn, die von unten lächerlich aussehen mag, beim Hochschaukeln jedoch Respekt abnötigt. Sichtlich nimmt die Seniorendichte zu. Mäßige Eintrittspreise zwischen zwei und dreieinhalb Euro lassen uns keine Chance, um das Bergische Museum herum zu kommen. Wir sehen uns also die Rüstungen, Säbel und Alltagsgegenstände an, schauen verstört auf die 1.200 Zinnfiguren, welche die Schlacht von Worringen (1288) nachstellen. Aber es gehört auch ein stilvoller Rundgang durch die Anlage dazu, auf den Turm, durch Mauergänge, an zwei historischen Apotheken vorbei. Hier sind wir Ritter, hier dürfen wir’s sein.
Nach dem Abstieg erwartet uns – neben dem obligatorischen Dienst an der Waffel – eine weitere Einmaligkeit in Deutschland: Weil Busse hier nicht wenden können, wendet sich die Straße. Eine Busdrehscheibe! Das ist zu viel für uns, wir fallen berauscht in die Sitzpolster und fahren nach Solingen-Ohligs. Von dort bringt uns die Bahn in die abgefürstete Heimat zurück. Wenn alles gut geht: eng umschlungen.

Bahn:
Hinweg:
Regionalexpress, halbstündlich von Köln nach Solingen-Ohligs, von dort im 20-Minuten-Takt nach Solingen-Schaberg
Rückweg:
ab Solingen-Burg (Haltestelle gegenüber der Seilbahnstation) mit Bus 683 und Bus 681 (Umsteigen am Graf-Wilhelm-Platz) nach Solingen-Ohligs; Regionalexpress (VRS-Zone) nach Köln
PKW UND BUS:
Müngstener Brücke:
Autobahn A3, Abfahrt Solingen Langenfeld, die B229 Richtung Remscheid,
Abzweig Müngstener Brücke links;
Autobahn A1, Abfahrt Remscheid, die B229 Richtung Solingen,
Abzweig Müngstener Brücke rechts
Schloss Burg:
Autobahn A1, Abfahrt Schlossburg Wermelskirchen, Beschilderung folgen

BERGISCHES MUSEUM:
Schloss Burg,
Schlossplatz,
42659 Solingen,
Tel: 02 12 – 24 22 60
Öffnungszeiten:
Dienstag-Sonntag 10-18 Uhr,
Montag 13-18 Uhr