Von wegen Sahnehäubchen

Der Kulturwirtschaftsbericht für Köln liegt vor – was folgt daraus?

»Ist das nötige Geld vorhanden, ist das Ende meistens gut.« Dieser Satz stammt nicht von irgendeinem Vordenker des Kapitalismus, sondern von Bertolt Brecht und könnte durchaus als Motto die im März vorgelegte Studie zur Kölner Kulturwirtschaft zieren. Oder kürzer und unsympathischer: »It’s the economy, stupid!«. Kein Zweifel, hier geht um die statistische Erfassung von Arbeitsplätzen und Umsätzen – dennoch ein guter Anlass, das Vorurteil »gute Kultur, böser Kommerz« zugunsten einer komplexeren Sichtweise aufzugeben.
Aber erstmal einfach. »Kulturwirtschaft«, unter diesem Begriff werden jene Branchen des Kultursektors zusammengefasst, die »gewinnorientiert« arbeiten – also ohne den öffentlichen Kulturbetrieb (Museen, Schauspiel etc.). Zu den Kernbranchen gehören Musikwirtschaft, Buchmarkt/Verlage, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkmarkt, Privattheater/Kleinkunst, Architektur und Design. Der erweiterte Begriff »Creative Industries« umfasst auch Werbung und die Software/Games-Industrie – was für das Kölner Ergebnis keine unerhebliche Rolle spielt. In Auftrag gegeben wurde der Bericht von der Stadt Köln und dem Geldgeber RheinEnergieStiftung, verfasst haben ihn die Experten Bernd Fesel und Michael Söndermann. Die 106 Seiten dicke Schrift stellt nun erstmals das Volumen der Kölner Kulturwirtschaft differenziert dar.

Auf Augenhöhe mit Paris und Berlin

Mit 16.500 Unternehmen, 57.400 Beschäftigten und gut 11 Milliarden Euro Jahresumsatz ist Köln Spitze in NRW und auf Augenhöhe mit Paris und Berlin – so lautete die frohe Botschaft zur Veröffentlichung des Berichts. Das war Balsam auf alle von Standort-Konkurrenz geplagten Seelen, doch klugerweise propagiert der Bericht keinen gnadenlosen Städte-Wettbewerb, sondern Kooperation und eine europäische Perspektive. Das differenzierte Material offenbart zudem, was etwa hinter der Köln-Berlin-Paris-Meldung steckt: satte achtzig Prozent Zuwachs der Software/Games-Industrie seit dem Jahr 2000 und die geografische Definition »Großraum Köln« – inklusive Umland, Bonn und Aachen.

Jede Statistik hat Unschärfen und der erweiterte Kulturbegriff ist diskussionswürdig – aber genau dafür bietet die Studie eine Grundlage. Sie liefert zunächst Erkenntnisse über einzelne Teilmärkte und Tendenzen: Dass nach Software/Games der Designmarkt am stärksten boomt, dass trotz lit.Cologne in Kölner Buchläden nicht mehr, sondern weniger Bücher verkauft werden oder dass die Hälfte aller Künstler in NRW im Großraum Köln lebt. Dazu vergleichen die Autoren die tatsächliche ökonomische Lage aller Branchen mit der »gefühlten« Einschätzung der Akteure (genau: die Musikbranche überschätzt sich), zeichnen ein Gesamtbild und geben schließlich Handlungsempfehlungen ab: an Politik, Verwaltung und die Kulturbranche.

Köln kann mehr für Kreative tun

Die Ergebnisse könnten offene Ohren finden. Zahlenmäßig ist der Anteil der Kreativwirtschaft am Volumen der Gesamtwirtschaft Peanuts, im Großraum Köln nur 3,4 Prozent. Ein Major seiner Branche wie EMI zählt 270 Beschäftigte und macht 204 Millionen Jahresumsatz (2005), Ford macht mit 31.000 Beschäftigen 14 Milliarden Umsatz. Doch gewinnt dieser »Querschnittsbereich« derzeit für Bund-, Länder und Städte als Politikfeld an Bedeutung: Unternehmen siedeln sich gerne dort an, wo ihre Mitarbeiter ein attraktives Kulturangebot finden, das wiederum gedeiht dort, wo der Nachwuchs gefördert wird, Künstler günstige Arbeitsräume und Beratung bei der »Unternehmensgründung« finden. So ist es kein Zufall, dass der Wirtschaftsdezernent (!) Walter-Borjans bei der Präsentation der Studie im Kulturausschuss laut überlegte, wie man 600.000 leerstehende Quadratmeter Bürofläche in Köln für die Ansiedlung von Kreativen nutzen könnte. Irgendwann wird sich das auszahlen – aber es wäre auch Kulturpolitik.

Köln kann mehr tun, um Kreative anzuziehen und als Kulturstadt wahrgenommen zu werden, so die klare Botschaft. Minuspunkte bekam die Außendarstellung der Stadt, die ihr hochkarätiges Kulturangebot schlecht kommuniziert – floskelhaftes Citymarketing mit Dom, Karneval und Kölsch entwickelt keine Strahlkraft. Was kulturpolitische Konsequenzen betrifft, sieht Kulturamtschef Schmidt-Werthern die insgesamt positiven Zahlen der privaten Kulturwirtschaft als Argument für, nicht gegen öffentliche Förderung der freien Szene: Sie unterstützt Existenzgründungen, schafft interessierte Konsumenten, erfüllt bildungs- und sozialpolitische Aufgaben. Kurz: Sie rechnet sich, nur nicht so flott wie ein verkauftes Auto.

Kultur als Standortfaktor – das klingt hässlich, und es wäre fatal, die qualitative Perspektive durch Umsatzzahlen zu ersetzen. Aber Ökonomen kann man jetzt mal mit dem Argument kommen: »It’s the culture, stupid«.



Der Kulturwirtschaftsbericht steht im Internet unter www.stadt-koeln.de als Download bereit