»Schriftbilder«

Relativ unbemerkt lebt in Köln seit über dreißig Jahren ein international bekannter Multimediakünstler der ersten Stunde: Gerhard Rühm. Er ist Dichter, Komponist, Maler, Zeichner, Performance-Künstler; er hat Hörspiele produziert, Theaterstücke geschrieben und Filme gedreht. Gemeinsam mit H. C. Artmann, Oswald Wiener und anderen gründete Rühm in den 50er Jahren die legendäre »Wiener Gruppe«, die sich vor allem einer Erneuerung der Sprache nach ihrem Missbrauch durch den Nationalsozialismus verschrieb und deren Mitglieder in den 60er Jahren aus Protest gegen die erzkonservative österreichische Regierung nach Westberlin auswanderten.

78 Jahre alt ist Gerhard Rühm in diesem Februar geworden. Das Museum Ludwig hat ihm jetzt eine Ausstellung gewidmet: »Schriftbilder«. Sie zielt auf den Kern seines Schaffens: die Arbeit mit der Sprache. Die Ausstellung ist klein, oder besser: konzentriert. Der Ku­ratorin ist ein regelrechtes Kabinettstückchen gelungen, das einen Querschnitt bietet durch Gerhard Rühms Werk der visuellen Poesie. Immer wieder hat er neue Techniken angewendet und mit anderen Materialien experimentiert.

Die ersten Arbeiten stammen aus den 50er Jahren, die sogenannten »Schreibmaschinenideogram­me«. Formal strenge Bilder, die das Werkzeug, mit dem sie hergestellt wurden, deutlich erkennen lassen: fast glaubt man, die Rhythmik dieses Tasteninstruments zu spüren. Auf die Schreibmaschinen­bilder folgten die »Typocollagen«: Klebetexte, in denen Rühm unterschiedliche Schrifttypen und Schrift­größen verwendet. Die Wörter schneidet er aus Zeitschriften aus. Reduktion auf die wesentlichen Elemente, das ist sein Arbeitsprinzip. Was verblüffende Effekte erzielt. Beispielsweise eine Collage von 1959: ein weißes Blatt, ein horizontaler Strich, darunter ist der Ausschnitt einer Zeitungsüberschrift geklebt, das Zeitungspapier vergilbt, und da steht drauf: »Welkes Laub«.

Druckbuchstaben und Schriftzeichnung kommen zusammen in den »Grafischen Reaktionen auf Zeitungsmeldungen«: dezidiert politische Arbeiten aus den 80er Jahren, die zu den Werkgruppen zählen, die das Museum Ludwig angekauft hat. So bieten die »Schriftbilder« auch einen schönen Einblick in die Grafische Sammlung des Museums.