Das Feuer lodert weiter

Abfälle aus Neapel sollen in der MVA zu Dumpingpreisen verfeuert werden – Kölns Bürger bezuschussen den Müll-Import durch ihre Gebühren

Eigentlich würden die Betreiber der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) ja gerne ausgelassen ihr Jubiläumsjahr feiern. Zehn Jahre nach Inbetriebnahme lechzen sie nach einem Schlussstrich unter den ewigen Diskussionen um Korruption, Überdimensionierung und Sinn der Abfallverfeuerung. Der ehemalige Bundesregierungssprecher Friedhelm Ost wurde eigens eingekauft, um die Werbetrommel zu rühren und das leidige Thema »Schmiergeldzahlungen beim Bau der Müllverbrennungsanlage« aus dem öffentlichen Gedächtnis zu tilgen. Der Wunsch bleibt jedoch unerfüllt: Die Lieferung von Import-Müll aus Neapel hat alte Fronten im MVA-Streit wieder verhärten lassen.

Anlage nicht ausgelastet

»Wenn wir auch noch Müll aus dem Ausland verbrennen können, zeigt das, dass die Anlage viel zu groß gebaut wurde«, meint Rainer Zinkel von der »Interessengemeinschaft Müllvermeidung statt Müllverbrennung«. Lange Zeit wurden er und seine Mitstreiter eher belächelt, weil sie seit Jahren wie Don Quichotte gegen Windmühlen kämpfen. Sie haben schon immer gesagt, dass die MVA überdimensioniert sei, doch Politik und Entsorgungswirtschaft wollten davon nie etwas hören. Selbst auf mögliche Schadenersatz-Forderungen im Zusammenhang mit der Zahlung von Millionen Schmiergeldern wurde großzügig verzichtet. Viel lässt sich über die Entstehungsgeschichte des Mega-Ofens sowieso nicht mehr in Erfahrung bringen: Wichtige Unterlagen wurden gleich nach Inbetriebnahme verfeuert.

Also bleibt die Vermutung, dass der Müll aus Neapel nur Platz findet, weil die Anlage alleine mit Kölner Privatabfall nicht ausgelastet ist. Immerhin sollen die Italiener für ihre Entsorgung auch nur 100 Euro pro Tonne zahlen, während der Kölner Hausmüll derzeit für rund 130 Euro verfeuert wird. Die Gebühren, die die Einwohner zahlen, müssen dabei die Kosten für die große Anlage decken. Dass Industrie und Handel ihren Abfall so viel günstiger loswerden, liegt an den fallenden Marktpreisen für Gewerbemüll – denn die Kölner MVA ist nicht die einzige, die ein bisschen groß geraten ist, so dass man deshalb auf dem freien Markt um Kunden buhlt. Geschäftsleute können sich im Gegensatz zu Bürgern eben aussuchen, wo sie ihren Abfall entsorgen lassen. Insgesamt sollen 160.000 Tonnen Neapel-Müll in deutschen Müllöfen verfeuert werden – 70.000 davon landen in NRW.

Müllgebühren zu hoch

Das Kölner Verwaltungsgericht hat das jetzt auch erkannt. »Wir haben schon mehr als 100 Klagen gegen die Müllgebühren für das laufende Jahr auf dem Tisch«, erklärt Gerichtssprecher Klaus-Peter Uhlenberg. Zuvor war entschieden worden, dass die Kölner MVA um ein Viertel zu groß ist. So lange die Gewinne bei den früher hohen Einnahmen beim Gewerbemüll die Entsorgung des Hausabfalls quasi subventioniert haben, war das in Ordnung. Umgekehrt darf es aber nicht sein: Und im Jahr 2005 bezuschussten die Kölner Gebührenzahler nach Überzeugung des Gerichts faktisch die Verbrennung von Gewerbemüll. Demnächst soll der Fall vor dem Oberverwaltungsgericht in Müns ter landen.

Dort wird in einem zweiten Verfahren auch über die neuerliche technische Erweiterung des Kölner Müllofens beraten. Durch die Umrüstung auf modernere Filter sollen bis zu zehn Prozent mehr verbrannt werden. Damit steigt die Kapazität im Rheinland weiter. »Eigentlich haben wir immer noch zu wenig Verbrennungsanlagen«, glaubt MVA-Chef Peter-Olaf Hoffmann wacker. Mittlerweile darf kein Abfall mehr unbehandelt auf Deponien landen – quasi ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Anlagen. Teilweise wurde der Müll aber aufgrund von Gesetzeslücken oder sogar illegal in ostdeutschen Bergwerkstollen vergraben, außerdem reißen sich zum Beispiel Zementwerke um »Ersatzbrennstoffe« – das ist unter anderem geschredderter Plastikmüll, der hier zum Heizen verwendet wird. Abfall, der den traditionellen MVAs fehlt.

Die Kölner Anlage unterdessen hat bislang den Auslandsimport von Müll kategorisch vermieden. Die Neapel-Katastrophe könne jetzt ein Tor für weitere Geschäfte dieser Art öffnen, meinen Kritiker. Auch wenn das von den Betreibern vehement zurückgewiesen worden ist, bleibt Skepsis angebracht. Denn der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft hat die Sektflaschen wohl schon kaltgestellt: Auf EU-Ebene laufen gerade Lobbyaktionen, nach denen beim Müll völlig freier Wettbewerb gelten soll. Damit würden die Gebühren für die Bürger noch unberechenbarer.


StadtRevue-Autor Frank Überall
hat sich in seinem aktuellen politischen Sachbuch »Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns« (Bouvier Verlag) ausführlich auch mit den Facetten des Kölner
Müllskandals beschäftigt.